1344 Auhaus zu den Vereinigten Staaten vun Merdamerika. (Dezember 29.)
In Beantwortung der sehr geschätzten Note Nr. 4307 vom 21. d. M.
hat der Unterzeichnete die Ehre, Seiner Exzellenz dem Herrn Botschafter
der Vereinigten Staaten von Amerika Frederick Courtland Penfield nach-
stehendes ganz ergebenst zu eröffnen: Die K. u. K. Regierung stimmt mit dem
Washingtoner Kabinett durchaus darin überein, daß den geheiligten Gebot#en
der Menschlichkeit auch im Kriege Rechnung getragen werden muß. Wie sie
schon bisher niemals und niemand Anlaß gegeben hat, an ihrer Achtung
vor diesen Geboten zu zweifeln, hat sie auch im ganzen Laufe dieses Krieges,
der so erschütternde Bilder sittlicher Begriffsverwirrung darbietet, den Feinden
sowohl als den Neutralen zahlreiche Beweise menschenfreundlichster Gesinnung
gegeben, und es lag nicht an ihr, wenn sie mit dem Washingtoner Kabinen
vor nicht langer Zeit gerade in einer Frage nicht einig wurde, die sie im
Einklange mit der ganzen öffentlichen Meinung in Oesterreich- Ungarn haupt-=
sächlich als eine Frage der Menschlichkeit betrachtete. Auch dem in der sehr ge-
schätzten Note zum Ausdruck gelangten Grundsatz, daß feindliche Privatschiffe.
soweit sie nicht fliehen oder Widerstand leisten, nicht vernichtet werden dürfen,
ohne daß die an Bord befindlichen Personen in Sicherheit gebracht wurden.
kann die K. u. K. Regierung im wesentlichen beipflichten.
Für die Versicherung, daß die Bundesregierung Wert darauf legt, die
guten Beziehungen, die geücklicherweise zwischen Oesterreich-Ungarn und den
Vereinigten Staaten von Amerika bestehen, aufrechterhalten zu sehen, ist die
Kaiserliche und Königliche Regierung sehr empfänglich. Sie erwidert diese
Versicherung auf das wärmste und ist auch nach wie vor bestrebt, diese Be-
ziehungen, soweit es an ihr liegt, noch herzlicher zu gestalten. Von dem
gleichen Geiste der Offenheit geleitet wie die Regierung der Union ist die
Kaiserliche und Königliche Regierung, wiewohl sie in der mehrerwähnten
Note nicht die Antwort auf alle von ihr aufgeworfenen berechtigten Fragen
findet, bereit, der Bundesregierung das Resultat der Untersuchung mit-
zuteilen, welche auf Grund der bestehenden internen Vorschriften sofort nach
Einlangen des Flottenberichts über die Versenkung der „Ancona“ eingeleilet
worden war und in der allerjüngsten Zeit zum Abschluß gediehen ist.
Das Ergebnis dieser Untersuchung läßt sich in folgendem zusammen-
fassen: Am 7. November 1915 11 Uhr 40 vormittags bemerkte der Kom-
mandant des Unterseebootes auf 38 Grad 40 Minuten Nord und 10 Grad
8 Minuten Ost bei unsichtigem Wetter, wie plötzlich in Entfernung von rund
300(0) Metern aus dem Nebel einen Strich Steuerbord die Umrisse eines
großen italienischen Dampfers auftauchten. Er hielt ihn anfangs für einen
Transportdampfer, drehte ab und schoß dann aus dem achteren Geschüs
einen weitliegenden Warnungsschuß. Gleichzeitig setzte er das Signal: „Ver-
lassen Sie das Schiff!“ Der Dampfer stoppte nicht, sondern wendete viecl-
mehr ab und versuchte zu entkommen. Der Kommandant blieb zunächst
einige Minuten gestopot liegen, um die Entfernung zu vergrößern, da er
befürchtete, daß der Dampfer ein Heckgeschütz habe und mit demselben gegen
das Unterseeboot feuern werde. Als die Distanz 4500 Meter betrug, ließ
er mit ganzer Kraft die Verfolgung aufnehmen und feuerte mit dem vor-
deren Geschütz bei abnehmender Eutfernung 16 Granaten, unter denen er
drei Treffer beobachtete. Während der Verfolgung lief der Dampfer im
Zickzack und stoppte erst nach dem dritten Treffer. Darauf stellte der Kom-
mandant das Feuer ein.
Schon wahrend der Flucht hatte der Dampfer in voller Fahrt einige
Boote mit Menschen von oben fallen gelassen, die sogleich kenterten. Nach
dem Stoppen begann er, Boote auszusetzen. In einer Entfernung von etwa
2000 Metern sah der Kommandant, daß sechs Boote voll besetzt wurden und
schnell vom Dampfer fortruderten. Ein weiteres Boot war gekentert und