Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

Grsbritannien. (Mai 13.) 765 
sofort die nötigen Schritte zu tun, um die Sicherheit des Heims durch 
Internierung aller feindlichen Fremden im militärpflichtigen Alter 
zu garantieren und alle sonstigen feindlichen Fremden, auch Frauen, min- 
desens 30 Meilen von der Seeküste fortzuschaffen. Abquith gibt hierauf 
folgende Erklärung ab: Die zunehmenden Verletzungen der Gebräuche der 
zivilisierten Kriegführung und der Regeln der Menschlichkeit erzeugten in 
allen Klassen des Landes eine gerechte Entrüstung. Die Folge davon ist 
unglücklicherweise, daß unschuldige Personen sich in Gefahr befinden, für 
die Verbrechen der anderen zu büßen. Die bisherigen Internierungen sind 
aus militärischen Gründen vorgenommen worden, aber die Regierung sieht 
ein. daß die durch die jüngsten Ereignisse geschaffene Stimmung es nötig 
macht, über die rein militärischen Maßregeln hinauszugehen. Die Re- 
gierung erwägt deshalb eine Absonderung und eine Inter- 
nierung der feindlichen Untertanen in größerem Maßstabe. 
Alle männlichen Staatsangehörigen feindlicher Länder im Alter von 17 bis 
55 Jahren sollen interniert werden, außer in den Fällen, wo eine noch zu 
ernennende Kommission mit richterlicher Besugnis eine Ausnahme be- 
schließen würde. Frauen und Kinder sollen nach ihrem Heimatlande ge- 
schickt werden, wobei aber ebenfalls Ausnahmen Platz greifen können. 
Naturalisierten soll die Freiheit gelassen werden, außer in den Fällen, wo 
Grund zu einem Verdachte vorläge. 
Bonar Law verurteilt die Ausschreitungen gegen die seindlichen Staats- 
angehörigen; er müsse aber sagen, daß er nicht bedauere, daraus ersehen 
zu haben, wie die Volksstimmung sei. — Der Liverpooler Reeder Holt 
lib.; sagt, die Internierung von Personen in so großer Zahl würde der 
Regierung 2 bis 3 Millionen Pfund Sterling im Jahre kosten. Die Er- 
richtung der Lager würde Arbeit und Material anderen Zwecken entziehen. 
Die Benutzung von Schiffen für die Internierung wäre eine kolossale Ver- 
schwendung, und außerdem brauche man die Arbeitsleistung der Leute, die 
interniert werden sollten. — Johnson Hicks (Unionist) meint, die Re- 
gierung habe dem Pöbel zugestanden, was sie dem Parlament nicht zu- 
gestanden hätte, nämlich die Behandlung der Ausländer in eigene Hände 
zu nehmen. Er verurteile das, aber die Verantwortung trage die Regie- 
rung, die die im Unterhaus vorgebrachten Warnungen nicht beachtet hätte. 
— Markham (Unioenist) fordert, daß Männer deutscher Abstammung nicht 
Mitglieder des Parlaments oder des Geheimen Staatsrats bleiben dürften. 
Die Regierung habe die neuen Schritte unternommen, wahrscheinlich gegen 
ihr eigenes Urteil, weil die öffentliche Meinung sie dazu gezwungen habe, 
aber die neuen Maßregeln würden die öffentliche Meinung nicht befriedigen. 
Der Redner teilt mit, seine Arbeiter verlangten die Entlassung eines 
Deutschen, der seit 20 Jahren naturalisiert sei und drei Söhne in der 
englischen Armee habe. — Asgquith sagt, kein Patriot könne sich etwas 
Unbesonneneres und Schimpflicheres vorstellen als die Ausschreitungen und 
Plünderungen der letzten Tage. Der Arbeitervertreter Crooks ruft da- 
zwischen, einige Zeitungen hätten das Volk dazu aufgereizt. Asquith er- 
widert: Um so schimpflicher ist es für die Zeitungen, einen entehrenden 
Ausbruch der Rachsucht hervorzurufen. Den dafür Verantwortlichen ge- 
reicht dies zur denkbar größten Unehre. Die neuen Maßregeln werden uns 
vor der Möglichkeit einer gefährlichen Tätigkeit feindlicher Ausländer schützen 
und zugleich die Möglichkeit geben, Ungerechtigkeit und Ungemach von Un- 
schuldigen und harmlosen Personen abzuwenden. 
13. Mai. (Cberhaus.) Törichte Anklagen. 
Auf eine Anfrage nach dem von einem englischen Konsul gelieserten 
Bericht über einen angeblichen Befehl des Kronprinzen Rupprecht von
	        
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