768 Greßbritannien. (Mai 20. 22.)
dem Tode ins Auge zu schauen. Das könne nicht durch egoistische Motive
erklärt werden. Der erste Grund hierfür sei die kluge und weitblickende
Politik des Reiches. „Wir gaben“, so fuhr er fort, „längst die altmodische
Auffassung auf, daß die Selbstverwaltung der Kolonien mit der Einheitlich-
keit des Reiches unvereinbar sei. Sie ist die beste Reichspolitik. Die Reichs-
politik war hier und in den Kolonien seit Jahren nicht nur negativ, sondern
positiv aufbauend. Die Dominions würden lieber vernichtet werden, als
daß sie die Treue gegen Großbritannien einer anderen Souveränität opferten.
Wir und sie wurden uns in gleicher Weise bewußt, daß wir Mitglieder
einer Gemeinschaft sind, die auf der ganzen Welt unter derselben Flagge
die Grundsätze der Freiheit und Gerechtigkeit aufrecht erhält. Man be-
hauptete, daß die Dominions nicht für uns, sondern für die eigenen Ideale
kämpfen. Das ist sehr richtig. Der Feind machte sich, als er den Krieg
mutwillig anfing, kaum eine Vorstellung davon, was für Kräfte er in allen
Teilen der Welt entfesselte, wo englisch gesprochen wird und die freien
Traditionen der britischen Rasse in Fleisch und Blut übergegangen sind.
Der Feind verletzt hartnäckig jedes göttliche und menschliche Gesetz und sinlt
von Stufe zu Stufe zu grenzenloser Schmach herunter. Er ruft gegen sich
alle Mächte und Einflüsse wach, die unter dem freien Geiste der Mensch-
heit stehen. Wir besitzen mächtige Verbündete, die nicht weniger gewaltig
sind, weil die Augen sie nicht sehen. Unter ihnen befindet sich der unbesieg-
bare Geist der Menschheit.“
Bonar Law erklärte, als die giftige Schlange losgelassen worden
sei, sei kein anderes Mittel übrig geblieben, als sie zu zerstören. Das
britische Reich sei das Gegenteil alles dessen, wofür sich der deutsche Mili-
tarismus einsetze. Er glaube, man habe keine richtige Vorstellung davon,
was Indien für das Reich getan habe. Es bestehe mehr Grund dafür,
auf die spontane Begeisterung der indischen Fürsten und der Bevölkerung
stolz zu sein, als seinerzeit auf die Eroberung Indiens. „Wir hätten niemals
davon geträumt, die Dominions zu zwingen, uns zum Kriege Beiträge zu
leisten, aber sie kamen ebenso freiwillig, wie von den Briten zu Hause."
20. Mai. (Unterhaus.) Asquith gibt eine Erklärung ab über
eine bevorstehende Neubildung des Kabinetts auf breiterer
Grundlage.
Noch sei nichts mit Bestimmtheit festgesetzt, aber um Mißverständnisse
zu vermeiden, erkläre er folgendes: 1. Daß die Funktionen des Ersten
Ministers und die des Ministers des Aeußern keinerlei Veränderungen er-
leiden werden. 2. Daß keinerlei Veränderungen in der Richtung der Landes-
politik in bezug auf Fortsetzung des Krieges mit aller möglichen Energie
und mit allen Hilfsmitteln eintreten werden. 3. Daß jede Veränderung
des Kabinetts ausschließlich zugunsten des Krieges aufzufassen sei und nicht
irgendeine Partei ihre politischen Jdeale ausgebe. Bonar Law unterstützt
die Erklärung von Asquith und betont, daß die Opposition ausschließlich
nach dem Grundsatz handle, die beste Methode zu finden, den Krieg zu
einem glücklichen Ende zu führen.
22. Mai. Das Prisengericht fällt das Urteil über das deutsche
Hospitalschiff Ophelia, indem es das Schiff als Prise erklärte.
In der Begründung heißt es, die Ophelia sei weder als Hospitalschiff
gebaut, noch für diesen Zweck eingerichtet oder verwendet worden, sondern
diene vielmehr militärischen Zwecken. (Nach Mitteilung des Wolffschen Telegr.
Büros war die „Ophelia“ als Lazarettschiff eingerichtet; sie wurde am