Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

1400 Anhang: Diplemalishe Enthũlungen. 
Anlage. 
Alld. Blätter, enthaltend „Alldeutsche Feststellungen zur Zeitgeschichte“. 
Abgedr. „Alldeutsche Blätter“ 1917 Nr. 22 (26. Mai 1917). Ebenda 
noch ein Anwortschreiben des Unterstaatssekretärs in der Reichskanzlei 
Wahnschaffe vom 26. Mai 1915 und ein Brief des Frhr. v. Gebsattel vom 
15. Juni 1915, beide Schreiben betr. Ausschub der Veröffentlichung des 
Briefwechsels. 
Kriegsziel-Eingabe der sechs großen Wirtschaftsverbände an 
den Reichskanzler vom 20. Mai 1915. 
Exz.! Mit dem ganzen deutschen Volke ist auch die deutsche Erwerbs- 
tätigkeit in Landwirtschaft und Industrie, Handwerk und Handel fest ent- 
schlossen, in dem Deutschland ausgezwungenen Kampf auf Leben und Tod 
ungeachtet aller Opfer auszuharren bis zum letzten, damit Deutschland aus 
diesem Kampfe nach außen stärker, mit der Gewähr eines dauernden Friedens 
und damit der Gewähr einer gesicherten nationalen, wirtschaftlichen und 
kulturellen Weiterentwicklung auch im Innern hervorgehe. 
Angesichts dieses Zielbewußtseins und dieser durch die Tat bekundeten 
Opferwilligkeit des ganzen Volkes mußten die in Stadt und Land umlaufen- 
den Gerüchte über Anbahnung von Friedensverhandlungen und insbesondere 
über vorbereitende Schritte zur Anbahnung eines Sonderfriedens mit Eng- 
land auf der Grundlage gewisser englischer Wünsche und Forderungen — Ge- 
rüchte, die in gewissen Presseverlautbarungen eine Stütze zu finden schienen — 
doppelt beunruhigend wirken. 
Mit Befriedigung ist daher überall die Erklärung der „Nordd. Allg. 
Ztg."“ ausfgenommen, daß kein Urteilsfähiger daran denken kann, die für 
Deutschland günstige Kriegslage zugunsten eines vorzeitigen Friedensschlusses 
mit irgendeinem seiner Feinde preiszugeben. 
An dieser Entschlossenheit würde allerdings auch eine ungünstigere oder 
unsicherere Kriegslage nichts ändern dürfen, wenn anders das von Sr. M. 
dem Kaiser nach außen wie nach innen selbst gesteckte Ziel nicht aus dem 
Auge verloren werden soll. Denn dieses Ziel ist nur durch die Erkämpfung 
eines Friedens zu erreichen, der uns eine bessere Sicherung unserer Grenzen 
im Westen und Osten, eine Verbreiterung der Grundlagen unserer Seegeltung 
und die Möglichkeit einer ungehinderten und starken Entfaltung unserer wirt- 
schaftlichen Kräfte, kurz, politisch, militärisch-maritim und wirtschaftlich die- 
jenigen Machterweiterungen bringt, die unsere größere Stärke nach außen 
gewährleisten. 
Ein Frieden, der nicht diese Ergebnisse zeitigt, macht baldige neue 
Kämpfe unter für Deutschland wesentlich ungünstigeren Aussichten unvermeid- 
lich. Also kein vorzeitiger Frieden. Denn von einem solchen steht ein aus- 
reichender Siegespreis nicht zu erhoffen. 
Aber auch kein lauer Frieden, der nach den angedenteten Richtungen 
hin nicht die volle politische Ausnutzung der von uns erhofften schließlichen 
militärischen Erfolge in sich begreift! · 
Denn es darf nicht verkannt werden, daß die volle Ausnutzung der 
militärischen Lage für die äußere Machterweiterung Deutschlands nicht nur 
die Voraussetzung für die Sicherstellung unserer Zukunft nach außen, sondern 
auch die gleich wichtige Voraussetzung dafür bildet, daß die opferfreudige 
Geschlossenheit des deutschen Volkes auch für die innere Politik in kommen- 
den Friedenszeiten nutzbar gemacht werden kann. Einer militärischen Zwangs- 
lage, die auch das opferfreudigste Durchhalten schließlich vor unüberwindliche 
Schranken stellte, würde sicherlich auch unser Volk Rechnung tragen. Eine 
unangebrachte, nicht in der militärischen Lage zwingend begründete Nach-
	        
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