Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

Tuhans: DBiploemalisce Euthülnnsen. 1401 
giebigkeit beim Friedensschlusse, die ebenso wie eine vorzeitige Aufgabe des 
Kampfes zur Folge haben könnte, daß unsere heimkehrenden Krieger der- 
einst als einziges Ergebnis ihres tapferen Durchhaltens nur eine erdrückende 
Steuerlast vorfinden, müßte von den verhängnisvollsten Folgen für den 
inneren Frieden unseres Vaterlandes werden. Dem Blutopfer von Hundert- 
tausenden muß auch der Siegespreis entsprechen! 
Welche Forderungen im einzelnen — die militärische Durchführbarkeit 
vorausgesetzt — nach Ansicht der unterzeichneten Verbände erfüllt werden 
müssen, um Deutschland politisch, militärisch und wirtschaftlich so zu festigen, 
daß es allen Möglichkeiten der Zukunft getrost entgegensehen kann, ist in 
der nachstehend wiedergegebenen Eingabe ausgeführt, die unter dem 10. März 
d. J. seitens des Bundes der Landwirte, des Deutschen Bauernbundes, des 
Zentralverbandes deutscher Industrieller, des Bundes der Industriellen und 
des Reichsdeutschen Mittelstandsverbandes an Ew. Exz. gerichtet wurde, und 
der sich auch die hier mitunterzeichneten christlichen deutschen Bauernvereine 
angeschlossen haben. Die Eingabe lautete: 
Die unterzeichneten Körperschaften haben sich mit der Frage beschäftigt, 
wie die in den letzten Monaten so oft gehörte Formel zu verwirklichen ist, 
daß diesem Kriege ein ehrenvoller Frieden folgen müsse, der den gebrachten 
Opfern entspricht und die Gewähr seiner Dauer in sich trägt. 
Bei der Beantwortung dieser Frage darf niemals vergessen werden, 
daß unsere Feinde fortgesetzt verkünden, Deutschland solle vernichtet und aus 
der Reihe der Großmächte gestrichen werden. Gegenüber diesen Bestrebungen 
werden wir keinen Schutz finden in Verträgen, welche man im passenden 
Augenblick wiederum mit Füßen tritt, sondern nur in einer so starken wirt- 
schaftlichen und militärischen Schwächung unserer Gegner, daß durch diese 
für absehbare Zeit der Friede gesichert wird. 
Neben der Forderung eines Kolonialreiches, das den vielseitigen wirt- 
schaftlichen Interessen Deutschlands voll genügt, neben der Sicherung unserer 
zoll- und handelspolitischen Zukunft und der Erlangung einer ausreichen- 
den, in zweckmäßiger Form gewährten Kriegsentschädigung, sehen sie das 
Hauptziel des uns aufgedrängten Kampfes in einer Sicherung und Ver- 
besserung der europäischen Daseinsgrundlage des Deutschen Reiches nach 
folgenden Richtungen: 
Belgien muß, wegen der notwendigen Sicherung unserer Seegeltung, 
wegen unserer militärischen und wirtschaftlichen Zukunftstellung gegenüber 
England und wegen des engen Zusammenhanges des wirtschaftlich so be- 
deutenden belgischen Gebietes mit unserem Hauptindustriegebiet, militär- 
und zollpolitisch, sowie hinsichtlich des Münz-, Bank= und Postwesens der 
deutschen Reichsgesetzgebung unterstellt werden. Eisenbahnen und Wasser- 
straßen sind unserem Verkehrswesen einzugliedern. Im übrigen müssen Re- 
gierung und Verwaltung des Landes, unter Scheidung eines wallonischen 
und eines überwiegend vlämischen Gebietes und unter Ueberführung der 
für die Beherrschung des Landes wichtigen wirtschaftlichen Unternehmungen 
und Besitzungen in deutsche Hand, so geführt werden, daß die Bewohner 
keinen Einfluß auf dic politischen Geschicke des Deutschen Reiches erlangen. 
Was Frankreich betrifft, so muß, aus dem gleichen Gesichtspunkte 
unserer Stellung zu England, der Besitz des an Belgien grenzenden Küsten- 
gebietes bis etwa zur Somme und damit der Ausweg zum Atlantischen 
Ozean als eine Lebensfrage für unsere künftige Seegeltung betrachtet werden. 
Das hierbei mit zu erwerbende Hinterland muß so bemessen werden, daß 
wirtschaftlich und strategisch die volle Ausnutzung der gewonnenen Kanal- 
häfen gesichert ist. Jeder weitere französische Landerwerb hat, abgesehen von 
der notwendigen Angliederung der Erzgebiete von Briey, ausschließlich nach
	        
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