Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

1402 Auhaus: Diplematisqt Enthũlungen. 
militärstrategischen Erwägungen zu geschehen. Man kann hierbei nach der 
Erfahrungen dieses Krieges wohl als selbstverständlich ansehen, daß wir 
unsere Grenzen nicht weiterhin feindlichen Einfällen preisgeben dürfen, in- 
dem wir die uns bedrohenden Festungsstellungen, insbesondere Verdun und 
Belfort und den dazwischen liegenden westlichen Abfall der Vogesen, den 
Gegnern belassen. Mit dem Erwerb der Maaslinie und der fran zosischen 
Kanalküste wäre, außer dem erwähnten Erzgebiete von Briey, auch der Besit 
der Kohlengebiete des Departements du Nord und des Pas de Calais ge- 
geben. Auch diese Erwerbungen setzen — nach den elsaß--lothringischen Er- 
fahrungen wohl selbstverständlich — voraus, daß die Bevölkerung der an- 
gegliederten Gebiete nicht in die Lage gebracht wird, politischen Einfluß auf 
die Geschicke des Deutschen Reiches zu erlangen, und daß die in diesem 
Gebiete vorhandenen wirtschaftlichen Machtmittel, einschließlich des mittleren 
und größeren Besitzes, derart in deutsche Hand überführt werden, daß Frank- 
reich deren Eigentümer entschädigt und übernimmt. 
Für den Osten muß zunächst die eine Erwägung maßgebend sein, daß 
der im Westen zu erwartende große industrielle Machtzuwachs ein Gegen- 
gewicht durch ein gleichwertiges im Osten zu erwerbendes Landwirtschafts- 
gebiet finden muß. Die gegenwärtige wirtschaftliche Struktur Deutschland= 
hat sich im jetzigen Kriege als so glücklich erwiesen, daß die Notwendigkeit 
ihrer Erhaltung für eine absehbare Zukunft wohl als allgemeine Ueber- 
zeugung unseres Volkes bezeichnet werden kann. 
Die Notwendigkeit, auch die gesunde landwirtschaftliche Grundlage 
unserer Volkswirtschaft zu stärken, eine groß angelegte deutsche ländliche Be- 
siedelung sowie die Zurückführung der im Auslande, namentlich in Rußland 
lebenden und jetzt entrechteten deutschen Bauern in das deutsche Reichs- und 
Wirtschaftsgebiet zu ermöglichen und unsere wehrkräftige Volkszahl stark zu 
erhöhen, fordert eine erhebliche Erweiterung der Reichs= und preußischen 
Grenzen gegen Osten durch Angliederung mindestens von Teilen der Ostsee- 
provinzen und der südlich davon liegenden Gebiete unter Berücksichtigung des 
Zieles, unsere östliche Grenze militärisch verteidigungsfähig zu gestalten. 
Der Wiederaufbau Ostpreußens verlangt eine bessere Sicherung seiner 
Grenzen durch die Vorlagerung weiterer Landstriche, und auch Westpreußen. 
Posen und Schlesien dürfen nicht die gefährdeten Außenmarken bleiben, die 
sie jetzt sind. 
Hinsichtlich der Verleihung politischer Rechte an die Bewohner der 
neuen Gebiete und der Sicherung des deutschen wirtschaftlichen Einflusses- 
in ihnen gilt das hinsichtlich Frankreich Gesagte. Die Kriegsentschädigung 
von seiten Rußlands wird in großem Umfange in der Uebereignung von 
Land bestehen müssen. 
Selbstverständlich beruhen diese Forderungen auf der Voraussetzung 
ihrer militärischen Durchführbarkeit. Wir haben aber nach dem bisher Er- 
reichten das feste Vertrauen zu unserem Heere und zu seiner Führung, daß 
ein Sieg, der die Erreichung dieser Ziele gewährleistet, errungen werden 
wird. Nicht aus Eroberungspolitik sind diese Ziele zu erstreben, sondern 
weil nur die Erreichung dieser Ziele den dauernden Frieden sichert, den 
das deutsche Volk in allen seinen Teilen nach den gebrachten großen Opfern 
erwartet, ganz abgesehen davon, daß, unserer Auffassung nach, eine freiwillige 
Preisgabe der mit so vielem deutschen Blute getränkten feindlichen Gebiete, 
in denen sich ungezählte Gräber gerade der besten unseres Volkes befinden, 
dem Volksempfinden und den Volksbegriffen von einem ehrenvollen Frieden 
nicht entsprechen würde. 
Der Mangel an Häfen unmittelbar am Kanal würde nach wie vor 
unsere überseeische Betätigung einschnüren. Ein selbständiges Belgien wäre
	        
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