Grobritannien. (Juni 15.) 775
herricht die Meinung, daß die Regierung zu viel Rücksicht auf die Inter-
essen des Kapitals nimmt. — Pearce (lib.) spricht die Besorgnis aus, daß
die Kohlenpreise im nächsten Winter einen durchaus beklagenswerten
Zustand hervorrufen würden. Der Präsident des Handelsamtes sagt, die
Londoner Kohlennot beruhe größtenteils auf Mangel an Schiffen. Die
Admiralität belegte viele Kohlenschiffe mit Beschlag. Die in Benutzung
gestellten Internierungsschiffe seien ungeeignet. Der gesamte Verkehr sei
durch die notwendigen Vorsichtsmaßregeln gehemmt. Die enorme Steige-
rung der Detailpreise sei jedoch nicht gerechtfertigt. Er habe mit den
Kohlenhändlern vereinbart, daß ihre Gewinne beschränkt würden. Die
Produktionskosten für Kohlen seien durch die Rekrutierung und die Preis-
steigerung aller Materialien, namentlich von Grubenholz, gestiegen. Die
Erhöhung der Weizenpreise mache der Regierung große Sorgen. Der
amerikanische Preis bestimme nicht den Weltmarktpreis; Australien hätte
einen großen Ausfall an Weizen, und man müßte daher Weizen aus Ar-
gentinien einführen. Es sei jedoch kein Grund zu der Furcht vorhanden,
daß die Weizenausfuhr abgeschnitten würde. Er hoffe, daß die Oeffnung
der Dardanellen, die alle mit großer Sicherheit erwarteten, russische Zu-
fuhr nach den westlichen Märkten bringen werde. Er könne sich keine Hoff-
nung machen, daß die Fleischvorräte während des Krieges steigen würden.
Sir Ginnel richtet an Asquith die Frage, ob es gestattet sei, die Frage
des Friedensschlusses in der Oeffentlichkeit zu behandeln oder ob ein
solches Vorgehen gegen die Landesverteidigungsakte verstoße. Die Mehrheit
der englischen Frauen wünsche die Beendigung der jetzigen Zerstörung
menschlicher Leben, und da sie nicht die Möglichkeit hätten, Mitglieder des
Hauses zu wählen, so sollte Asquith eine Deputation der Frauen empfangen
und die Möglichkeit herstellen, die Friedensaussichten vor dem Hause
zur Sprache zu bringen. Asquith antwortet, daß die Besprechung des
Friedens keineswegs unter die Verbote der Landesverteidigung fallen könne
und daß jedermann und alle Klassen, ohne Unterschied des Geschlechts
wünschen müßten, daß ein dauernder und ernsthafter Friede bald geschlossen
werde. Asquith könne sich deshalb den Anregungen Ginnels nicht wider-
setzen.
15. Juni. (Unterhaus.) Fünfte Kriegskreditforderung.
Ackquith über das neue Koalitionsministerium.
Premierminister Asquith bringt die Vorlage über einen Ergänzungs-
kredit von 250 Millionen Pfund Sterling ein. Er führt aus, es sei dies
die fünfte Kreditvorlage seit Ausbruch des Krieges. Am 6. August 1911
seien 100 Millionen, am 15. November 225 Millionen, am 1. März 37 Mil-
lionen auf Rechnung von 1914/15 und 250 Millionen auf Rechnung von
1915 16 bewilligt worden. Man habe angenommen, daß diese bei einer
täglichen Ausgabe von 2 Millionen Pfund Sterling für Heer und Marine
und einer halben Million Pfund Sterling für Vorschüsse an die Dominions,
Verbündeten und fremde Staaten etwa hundert Tage, also bis zur zweiten
Juliwoche, reichen würden. In den 73 Tagen, die vom 1. März bis 12. Juni
verstrichen seien, habe sich aber ein Tagesbedarf von 2,66 Millionen
Pfund Sterling ergeben. Es sei zu erwarten, daß die täglichen Ausgaben
auf 3 Millionen Pfund Sterling steigen würden, da mit der längeren Dauer
des Krieges und der Ausdehnung seines Gebiets die Verpflichtungen der
Regierung zur finanziellen Unterstützung von Englands Verbündeten nicht
leichter würden. Neu sei bei der gegenwärtigen Vorlage, daß die hier ge-
sorderte Summe zum Teil dienen solle zur Rückzahlung von Vorschüssen,
die die Bank von England der Regierung gewährt habe. Ueber die Höhe