Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

776 Grehbritannien. (Juni 15.) 
dieser Vorschüsse sich auszulassen, halte er im gegenwärtigen Augenblick 
nicht für zweckmäßig. 
Auf eine Anfrage erklärt Asquith, daß die Verluste an Offizieren und 
Mannschaften bei der Flotte, den Seesoldaten und der Royal Naval Division 
bis zum 31. Mai einschließlich der Verluste beim Untergang des „Bulwark“ 
und anderen Unglücksfällen betragen: An Toten: 519 Offiziere und 7696 
Mann, an Verwundeten 181 Offiziere und 2262 Mann und an Vermißten 
74 Offiziere und 2785 Mann, in Summe 804 Offiziere und 12713 Mann. 
Ueber die Umbildung des Ministeriums führt Asquith aus: 
Ich habe durchaus nicht unter dem Druck außerparlamentarischer Einflüsie, 
vorübergehender Verlegenheit oder augenblicklicher parlamentarischer Be- 
dürfnisse gehandelt. Die Aufgabe war unwillkommen und widerwärtig. Es 
war die schmerzlichste Erfahrung meines politischen Lebens, mich von Kol- 
legen zu trennen, die unter dem Druck neuer, unvorhergesehener Verant- 
wortlichkeiten mit unermüdlicher Loyalität und, meiner Meinung nach, mit 
beispiellosem Erfolg die schwerste Aufgabe erfüllten, die jemals auf den 
Schultern britischer Staatsmänner gelastet hat. Keine Körperschaft konnte 
nach meinem wohlüberlegten Urteil mehr tun oder es besser tun. Asquith 
betont, daß er seinen politischen Grundsätzen durchaus treu geblieben sei, 
nichts davon aufgegeben habe und auch in Zukunft, wenn er eine Zukunft 
habe, dafür wirken werde. Dasselbe gelte von den neuen unionistischen 
Kollegen. Weshalb wurde dann diese Umwälzung unseres ganzen politischen 
Lebens herbeigeführt? Die Anforderungen, die die Lage an die Tatkraft 
und den Patriotismus der Nation und in ganz auszunehmendem Maße 
an die Geduld und Voraussicht der Regierung und an das gegenseitige 
Vertrauen stellt, können an keinem früheren Vorgang gemessen werden. 
Das politische Ziel, nämlich den Krieg zu einem siegreichen Ende zu führen, 
hat sich nicht geändert, und durch Personalveränderungen im Ministerium 
konnte nichts Nennenswertes erreicht werden. Aber ich bin langsam, mit 
Widerstreben und schließlich doch ohne Zweisel und Zaudern zu dem Schluß 
gekommen, daß eine solche Verbreiterung der Grundlage der Regierung 
notwendig war. Dadurch verliert sie auch den Auschein eines einseitigen 
oder Parteicharakters, und es wird nicht nur unserem Volke daheim und 
jenseits des Meeres, sondern auch der ganzen Welt, den Verbündeten, den 
Feinden und den Neutralen, zweifellos bewiesen, daß das britische Volk 
nach fast einem Jahre des Krieges entschlossener ist als je, alle Unterschiede 
zu vergessen, alle persönlichen, politischen, sittlichen und sachlichen Kräfte 
zur Verfolgung des Zieles zu vereinen. Allen jetzigen Ministern ist 
der Gedanke der Koalition unangenehm. Aber die große nationale Not 
forderte von uns allen sichtbare Zusammenarbeit, an der Männer aller 
Richtungen und Parteien teilnehmen. Es ist ein großes und, wie viele 
glauben, gefährliches Wagnis, das keiner von uns gewünscht hat. Er per- 
sönlich habe keinen politischen Ehrgeiz. Der Gedanke, daß das englische 
Volk Teilnahmslosigkeit beweise, sei die bösartigste Verleumdung. Der 
Angenblick sei nicht geeignet, die militärische und internationale Lage zu 
erörtern. Wir müssen fortfahren, den blinden Ratschlägen der Hysterie und 
der Furcht kein Gehör zu geben. Wir haben im Augenblick die einfache 
und überragende Pflicht zu erfüllen, den Diensten des Staates die bereit- 
willige und organisierte Hilfe jeder Klasse der Bevölkerung zuzuführen. 
In der Debatte betont Cecil (Unionist) die dringende Notwendigkeit 
der Sparsamkeit. Es herrsche der Eindruck, daß unnötig Geld ausgegeben 
werde. Redner erwähnt, daß in einer von der Regierung verwalteten 
Fabrik gelernte Arbeiter 8 Pfund Sterling Wochenlohn erhielten. Das Bei- 
spiel der schlechten Staatswirtschaft wirke auf die Privatwirtschaft zurück.
	        
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