Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

Bie Aerreichisch###rische Monarie. (Juni 12.—16.) 103 
ause auch die entsprechende Vorlage zugehen, durch welche eine gesetzliche 
ächtigung zur Abänderung einiger die Zuständigkeit der Ministerien 
regelnden Gesetzesbestimmungen eingeholt werden soll. Schon gegenwärtig 
möchte sich jedoch die Regierung die Unterstützung des hohen Hausfes bei 
Durchführung dieser Aktion erbitten. 
Hohes Haus! Es würde wohl den Rahmen der heutigen Erörterung 
Üüberschreiten, wollte ich die Fülle dessen, was durch das Zusammenwirken 
der ausführenden und der gesetzgebenden Gewalt geschaffen werden muß, 
in seinen Einzelheiten darzulegen versuchen. Ich habe mich darauf beschränkt, 
die Richtungen und Ziele, die uns vorschweben, die Grundgedanken, von 
denen wir uns bei ihrer Verfolgung leiten lassen wollen, zu skizzieren. 
Mancherlei auszuführen und zu ergänzen, wird sich wohl im Laue der 
Budgetdebatte noch Gelegenheit bieten. Jede der großen Fragen die sich 
innerhalb dieses allgemeinen Rahmens ergeben und vor die uns eine 
gewaltige Zeit stellt, bildet ein Problem für sich, welches zu lösen nur der 
hingebenden Arbeit des Parlaments und der Regierung gelingen kann. 
Aber wir müssen daran gehen, mit aller schaffensfrohen Energie, sie zu 
lösen; sie alle zusammen bilden ja das österreichische Problem, diese 
große, heilige Frage, von deren glücklicher Lösung unseres Vaterlandes 
Bestand und Glück und Macht abhängt. Wir müssen die Formel 
finden für die Lösung;: es ist keine Zauberformel, wenn sie auch einen 
Zauber auslösen würde, der „über alle Träume“ ist. Ich möchte in dieser 
hochernsten Stunde weiß Gott keinen Gemeinplatz gebrauchen, nicht in 
Schlagworten reden; ich will nur in diesem historischen Augenblicke von 
dieser verantwortlichen Stelle aus meiner innersten Ueberzeugung Ausdruck 
geben dahin, daß diese Formel in dem einfachen Wort liegt: Seien wir 
alle vor allem Oesterreicher! (Lebh. Beif. und Händeklatschen. Zwischen- 
rufe.) Viele von uns sind im Schützengraben gelegen, Deutsche, Böhmen, 
Polen, Ukrainer, Slowenen, Rumänen, Serbokroaten, Italiener zusammen, 
und die Büchsen schossen gleich gut und die Bajonette waren gleich scharf. 
(Lebh. Beif.) Wir hatten alle einen Gedanken: Oesterreich! (Lebh. Beif. 
Zahlreiche Zwischenrufe.) Es möge mir gestattet sein, dies noch einmal zu 
wiederholen, es ist einfach nicht denkbar, daß dieselben Menschen, die gegen 
eine Welt von Feinden Oesterreichs Grenzen bis zum letzten Atemzuge 
begeistert verteidigten, daß diese Menschen nicht imstande sein sollten, auch 
die Schatten des inneren Zwistes zu bannen und unser Vaterland heraus- 
zuführen aus dem Alltagshader der Nationen und Parteien einer glück- 
lichen Zukunft entgegen. (Lebh. Beif. und Händeklatschen.) Noch ist die 
Mehrzahl dieser Menschen draußen im Feld, ihrer harten Pflicht getreu 
nachkommend. Lassen Sie uns vereint dafür sorgen, daß, wenn 
sie heimkehren, die Grundsteine schon gelegt seien für jenes 
Oesterreich, wie es unsere Helden draußen in den treuen Gedanken an 
die Heimat ersehnen und an dessen Bilde sie sich aufrichten in mancher 
Stunde furchtbaren Ernstes. (Lebh., anhaltender Beif. und Händeklatschen.) 
Hierauf erhält das Wort Abg. Stransky (Tscheche). Er drückt vor 
allem seine schmerzlichen Gefühle darüber aus, daß Kramarsch im Hause 
fehle sowie die anderen verurteilten tschechischen Abg., deren Verbrechen 
nicht in Hochverrat gegen Oesterreich bestanden habe, sondern in ihrer 
Treue gegen Volk und Vaterland. Man wollte, führt er aus, nicht den 
Kramarsch und Gen. verurteilen, sondern man wollte der ganzen Politik 
des böhmischen Volkes den Prozeß machen. Die Tschechen haben das Par- 
lament nur mit den Gefühlen tiefgehender Verbitterung wieder betreten. 
Auch wir haben große Einbuße an Freiheit und Vermögen erlitten, auch 
unsere Söhne und Brüder mußten auf dem Schlachtfelde bluten, nur mit 
 
	        
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