112 Die ãsterreitisq · ngarise Nenarqhie. (Juni 12. - 16.)
lassen von feudalen Grafen und anderen geborenen Führern der Bölker.
Die Regierung wird von uns nicht verlangen, daß wir ihr das Bertrauen
etwa sogar in der Form votieren, daß wir für das Budgetprovisorium
stimmen. Wir können und werden dieser Regierung unser Vertrauen nicht
schenken; worauf wir einzig und allein vertrauen, ist die Kraft des Volkes,
die Orgahisation des Proletariats und der jent in allen Bölkern, besonders
in den arbeitenden Massen des Volkes schlummernde feste Wille, das Joch
des Absolutismus endlich abzuschütteln, endgültig die Aera Stürgkh zu liqui-
dieren, endgültig Ordnung zu machen, ob mit dieser Regierung oder gegen
sie, und endgültig die verfassungsmäßigen Rechte der Bölker in diesem
Staate wieder herzustellen. (Lebh. Beif. b. d. Soz.)
Abg. Stöckler (Christl.= soz.): Aus der dreijährigen parlamentslosen
Zeit muß man die Lehre ziehen, daß unsere Bevölkerung nur geschützt
werden kann, wenn das Parlament diesen Schutz übernimmt. Nicht der
Regierung erweisen wir einen Dienst, wenn wir das Budgetprovisorium
bewilligen, sondern dem Bolke und dem Staate. Wir werden alle auf das
eine Ziel losarbeiten müssen, unser altes Oesterreich zu erneuern und mit-
zuhelfen, daß auf seinen ehernen Grundsäulen ein kräftiges, einiges Oester-
reich emporwachse. Hoffen wir, daß aus diesem blutigen Völkerringen ein
Oesterreich hervorgehe, das seinen Feinden trotzte seinen Freunden zur
Freude ist und seinen Völkern zum Segen gereicht.
Abg. Zenker (Deutsch.-freih.) führt aus, das Budgetprovisorium
sei das unsachlichste und oberflächlichste Operat, das je einem Parlament
vorgelegt wurde, wenn es sich um die Bewilligung von Milliardenkrediten
handle. Der Ton und das Verhalten des Ministerpräsidenten, seine miß-
mutige Zurückhaltung und die Kargheit, mit der er das Haus mit Nach-
richten bedenke, zeige die geringe Herzenswärme, mit welcher die Regierung
dem Hause gegenüberstehe. Z. wendet sich hierauf gegen die Zensur-
verhältnisse. Die Regierung habe dieser Zensurpraxis trotz ihrer Ver-
sicherungen, die Zensur abbauen zu wollen, nicht abgeschworen, sie habe die
Zeusur sogar ins Parlament gebracht. Redner müsse diesen prinzipiellen
eschwerdegrund gegen die Regierung vorbringen. Ebenso bestehe heute noch
die Suspension der Geschworenengerichte aufrecht. Die ganze Judikatur
sei Ausnahms- oder Militärgerichten ausgeliefert. Auch auf wirtschaftlichem
Gebiete sei es zu einer vollkommenen Desorganisation der Verwaltung ge-
kommen. Z. wendet sich der Besprechung der Rede des Ministerpräsidenten
zu. Das österr. Problem sei das europäische und das Weltproblem,
und es müsse uns eigentlich mit Stolz erfüllen, wenn wir in die Lage
kommen, dieses Problem wirklich als ein Weltproblem aus eigener Kraft
zu lösen. Mit der Erklärung des Ministerpräsidenten, daß sein Programm
Oesterreich sei, wird man weder auswärts noch hier zufrieden sein können,
denn teils beinhaltet die Erklärung eine Tatsache, teils ist sie, soweit sie
als Stimmungs- und Gefühlsfaktor gemeint ist, eine Selbstverständlichkeit.
Außerdem ist die Wendung, die der Ministerpräsident gebraucht hat, sehr
gefährlich, denn im Auslande wird man sich sagen: wenn eine österreichische
Regierung es notwendig hat, zu betonen, daß ihr Programm Oesterreich
ist, muß in Oesterreich doch etwas vorgehen. Man werde aber doch mit
vollem Grund sagen können, daß im Parlament mit sehr wenigen persön-
lichen Ausnahmen sich niemand befindet, der nicht für Oesterreich ist.
Die nationale Pflicht darf nicht in dem Haß, in der Negation, in der Ver-
leugnung der andern, sondern muß in der Bejahung des eigenen Volkes
erblickt werden. Wenn dies der wirkliche Sinn des nationalen Bewußtseins
ist, dann fließen Nationalismus und Demokratie selbstverständlich wieder
in eins zusammen. Nicht mit Oktrois, nicht mit § 14-Verordnungen, nicht