Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

116 Bie IMrrreichischungarische Monarchie. (Juni 12.—16.) 
testen Schichten an der Wiederherstellung des Budgets außerordentlich ge- 
stiegen. In Zukunft wird das Schicksal unserer ganzen Bevölkerung, unserer 
ganzen Lebenshaltung davon abhängen, daß wir die Ordnung im Staats- 
haushalte wieder herstellen. Der Minister erörtert sodann die Notwendig- 
eit der Verwaltungsreform, die Valutafrage und das Problem der Ver- 
mögenssteuer, zu der er heute noch nicht in abschließender Weise Stellung 
nehmen könne. Die Vermögensabgabe müsse so beschaffen sein, daß sie die 
Produktivität des Kapitals und der Wirtschaft nicht übermäßig hemmt. Der 
Minister kündigt weiter die Ausgestaltung der Verbrauchsbesteuerung 
an, die vorausfichtlich eine Ergänzung in der Aufwandsbesteuerung werde 
finden müssen. Im Herbst werde man an die große Aufgabe des Finanz- 
planes gehen müssen. Der Minister ist überzeugt, daß Oesterreich, wie es 
den Kapitalsaufwand für diesen Krieg gedeckt habe, so gewiß auch für die 
dauernd aus ihm erwachsenden Ausgaben Deckung finden werde. Er habe 
für den Herbst ernste Maßnahmen im Auge, die das Land auch vor dem 
Auslande als Staat erscheinen ließen, der mit vollem Willen und mit 
vollem Einsatz seiner Kräfte, die sich im Kriege so glänzend bewährt haben, 
sofort an die Ordnung der Dinge schreite. Der Minister konstatiert weiter 
as sehr günstige Ergebnis der sechsten Kriegsanleihe. Wir werden sogar 
in allen sechs Kriegsanleihen weit mehr als 20 Milliarden Kr. aufgebracht 
haben. Der Minister wünscht einen vollen, womöglich den früheren über- 
steigenden Erfolg in dieser Kriegsanleihe, weil dies die Möglichkeit ge- 
währen würde, die Notenbank nicht mehr in Anspruch zu nehmen. Er 
wendet sich weiter gegen die Exzesse der Effektenspekulation, denen 
gegenüber leider die Finanzverwaltung keine geeigneten Mittel habe. Er 
erwartet von der für die Kriegsanleihe eingeleiteten Propaganda den besten 
Erfolg, wobei er bemerkt, daß diese Kriegsanleihe unter einem ganz be- 
soneren Stern steht. Treffe doch die Anspannung der wirtschaftlichen und 
nanziellen Kräfte bei der Subskription zusammen mit dem heldenmütigen 
Ringen der Armee an der Isonzofront. Die Armee schütze dort Triest, 
das Handelsemporium, das dem Lande geraubt werden solle. Damit ver- 
teidige die Armee nicht nur das Vaterland, sondern auch die wirtschaftliche 
Zukunft. Dieser Zusammenhang sollte jeden, in erster Linie die Besitzenden, 
bewegen, das letzte Scherflein beizutragen, um dieses historische Ringen 
auch finanziell zu sichern. Der Minister erbittet schließlich die dringliche 
Erledigung der Kriegsgewinnsteuer in dieser Session und schließt mit 
dem Wort: Niemand ist mehr darauf angewiesen, daß das Haus die ihm 
von der Verfassung zugewiesene Arbeit verrichtet, als der Finanzminister. 
Die ungeheuren Aufgaben, die zu lösen sind, könnte auch der fachkundigste 
Finanzminister unmöglich allein auf seine Schultern nehmen. Arbeiten 
Sie mit uns, das ist die Sehnsucht der Regierung. 
Abg. Pacher (Deutsch-böhm.) polemisiert gegen die Tschechenreden und 
sagt, er bedaure, daß die deutsch-böhmische Frage nicht schon längst 
gelöst sei und daß durch die Sprachenforderung der Tschechen anläßlich 
der Reform der Geschäftsordnung neue Verwirrung in das Haus gebracht 
worden sei. Er polemisiert auch gegen die tschechische Forderung nach Er- 
richtung eines Bundesstaates und verlangt die Kreiseinteilung Böhmens. 
Aber jedesmal, wenn man in dieser Frage mit den Tschechen schon einer 
Einigung nahe gewesen sei, sei Dr. Kramarsch aus Rußland zurückgekommen, 
und von diesem Augenblick an sei es mit jeder Verständigung zu Ende 
gewesen. Damit wir uns verstehen, ruft er den Tschechen zu, jeder Versuch, 
uns vom Reiche abzuschnüren, wird auf unseren äußersten Widerstand 
stoßen. Los von der Wenzelskrone, hin zu Oesterreich, hin zu Kaiser und 
Reich! Wir brauchen kein Bindeglied zwischen uns und dem Staat. Man
	        
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