182 Die ãsterreihisq-angarise Monarchie. (Sept. 29. Okt. 2.)
trägt: Tschechisch-Staatsrechtlicher Klub. Einstimmig werden gewählt zum
Präsidenten Klofac, zu dessen Stellvertretern Dr. Körner und Dr. Stransky.
Diese Gründung bedeutet das völlige Aufgehen der Jungtschechen im
radikalen Staatsrechtlertum.
W. Sept. Zusammenkunft Kaiser Karls mit Kaiser Wilhelm
in Dzieditz (s. Tl. 1 S. 800).
2. Okt. Graf Czernin und der Weltfriede.
Gelegentlich eines Festessens, das der ung. Ministerpräsident Dr. Wekerle
zu Ehren des Ministers des Aeußern Grafen Czernin in Budapest ver-
anstaltet, führt dieser aus: Dem großen franz. Staatsmanne Talleyrand
wird der Ausspruch zugeschrieben, die Worte seien da, um die Ge-
danken zu verhüllen. Mag sein, daß dieser Ausspruch richtig war für
die Diplomatie seines Jahrhunderts, für die heutige Zeit kann ich mir
schwer einen Satz denken, welcher weniger zutreffend wäre. Die Millionen,
welche kämpfen, einerlei, ob im Schützengraben oder im Hinterlande, wollen
wissen, warum und wofür sie kämpfen, sie haben ein Recht darauf, zu er-
fahren, warum der Friede, den die ganze Welt erwünscht, noch nicht ein-
getreten ist. Als ich auf meinen Posten gestellt wurde, habe ich die erste
Gelegenheit benützt, um offen zu erklären, daß wir keine Vergewaltigungen
begehen wollen, daß wir aber auch keine solchen erdulden werden, und daß
wir bereit sind, in Friedensverhandlungen einzutreten, sobald unsere Feinde
diesen Standpunkt eines Verständigungsfriedens annehmen. Damit glaube
ich die Friedensziele der österreichisch-ungarischen Monarchie, wenn auch
in allgemeinen Umrissen, so doch klar hingestellt zu haben. So mancher im
Inlande und im befreundeten Auslande hat mich wegen dieser offenen
Sprache getadelt — die Argumente dieser tadelnden Herren haben mich
in der Richtigkeit meiner Auffassung bestärkt; ich nehme nichts von dem
zurück, was ich gesagt habe, in der Ueberzeugung, daß die erdrückende
Majorität hier und in Oesterreich meinen Standpunkt billigt. Dies vor-
ausgeschickt, drängt es mich heute, der Oeffentlichkeit einiges zu sagen, wie
sich die k. u. k. Regierung die weitere Entwicklung der völlig zerstörten
europäischen Rechtsverhältnisse überhaupt vorstellt.
In großen Umrissen ist unser Programm des Wiederaufbaues der
Weltordnung, das richtiger als der Aufbau einer neuen Weltordnung
zu bezeichnen wäre, in unserer Antwort auf die Friedensnote des Heiligen
Vaters niedergelegt. Es kann sich mir also heute nur darum handeln, dieses
Programm zu ergänzen und vor allem eine Aufklärung darüber zu geben,
welche Erwägungen uns bestimmt haben, diese das bisherige System um-
stürzenden Grundsätze aufzustellen. Weiten Kreisen mag es überraschend,
ja unbegreiflich erscheinen, daß die Zentralmächte und speziell Oesterreich-
Ungarn in Hinkunft auf militärische Rüstungen verzichten wollen, da sie
doch in diesen schweren Jahren nur in ihrer Militärmacht den Schutz
gegen vielfache Ueberlegenheit fanden. Der Krieg hat nicht nur neue Tatsachen
und Verhältnisse geschaffen, er hat auch zu neuen Erkenntnissen geführt,
welche die Grundlagen der früheren europäischen Politik erschüttert haben.
Unter vielen anderen politischen Thesen ist vor allem auch jene zerronnen,
welche vermeinte, Oesterreich--Ungarn sei ein sterbender Staat. Das Dogma
vom bevorstehenden Zerfall der Monarchie war es, welche unsere Stellung
in Europa erschwerte und aus dem alles Unverständnis für unsere Lebens-
bedürfnisse entsprang. Wenn wir uns in diesem Kriege als durchaus ge-
sund und mindestens ebenbürtig erwiesen haben, dann folgt für uns hier-
aus, daß wir jetzt auf ein volles Verständnis unserer Lebensnotwendig-
keiten in Europa rechnen können, und daß die Hoffnungen zerstört sind,