Die Ssterreichischungerische Menarchie. (Dezember 4.—7.) 213
zu schließen, durch den die Freiheit, Selbständigkeit und der territoriale
Besitzstand Oesterreich-Ungarns unversehrt erhalten bleiben. Wir streben
keine erzwungenen Gebietserwerbungen und keine wirtschaftlichen Ver-
gewaltigungen an, doch verlangen wir wirksame Sicherheiten für unsere
freie und ungehinderte Entwicklung in der Zukunft. Diese Sicherheit könnten
uns mit entsprechenden Garantien versehene Abmachungen über die suk-
zessive, gleichzeitige und wechselseitige Herabsetzung der Rüstungen und über
die Freiheit der hohen See bei gleichzeitiger Einführung der obligatorischen
Schiedsgerichtsbarkeit bieten. Wir sind also bereit, mit unseren Gegnern
einen allgemeinen, gerechten und ehrenvollen Frieden zu schließen, welcher
die territoriale Integrität der Monarchie und deren künftige freie Ent-
wicklung auf politischem und wirtschaftlichem Gebiete sichert. Mit Ruß-
land, welches sich seit April d. J. bereit erklärt hat, einen Frieden ohne
territoriale und wirtschaftliche Vergewaltigungen zu schließen, und dessen
heutige Regierung dieses Programm wieder ausgenommen hat, stehen wir
im Begriffe, die Verhandlungen auf dieser Basis einzuleiten. Ob sich die
übrigen feindlichen Staaten dem Antrage Rußlands, im gegenwärtigen
Moment auf dieser Grundlage in Friedensverhandlungen einzutreten, an-
schließen werden, läßt sich nicht sagen. Ich bin daher heute auch nicht in
der Lage, mich darüber näher auszusprechen, inwieweit der von mir oben
skizzierte Frieden diesen Staaten gegenüber verwirklicht werden kann. Unter
allen Umständen aber muß ich erklären, daß es mir nicht möglich ist, unsere
selbstlosen Kriegsziele gegenüber den offen eingestandenen Annexionswünschen
jener unserer Feinde für alle Zukunft einseitig festzulegen, die auf der
Fortsetzung des Krieges beharren sollten.. Wie Sie, m. H., diesen meinen
Ausführungen entnommen haben, ist es mein vornehmstes Ziel, die öster-
reichisch-ungarische Monarchie baldigst zu einem Frieden zu führen, welcher
unter Wahrung der von uns erfolgreich verteidigten Rechte und unter
Sicherung unserer Zukunft den Völkern die dauernde Versöhnung bringt.
In diesem Wunsche weiß ich mich eins mit Ihnen und mit der erdrückenden
Mehrheit der Völker Oesterreich-Ungarns. Ich bitte Sie daher um Ihre
Unterstützung zur Erreichung dieses uns allen vorschwebenden Zieles. Ich
hege die Hoffnung, daß wir den Frieden auf dem Wege der Verständigung
erreichen. Andernfalls werden wir ihn, des bin ich fest überzeugt, erzwingen.
Im Auswärtigen Ausschuß der ungarischen Delegation ergreift
hierauf das Wort Graf Stephan Tisza und erklärt, er möchte die erste
Gelegenheit benützen, den ungarischen Standpunkt gegenüber einer einzigen
Frage kurz zu präzisieren. Darunter ist jene Zumutung gemeint, dem
Schlagworte des Selbstbestimmungsrechts der Völker eine Deutung
zu geben, infolge deren innere Fragen einen internationalen Charakter
erhalten würden, die Monarchie unter die Vormundschaft eines inter-
nationalen Areopags gestellt und unseren Feinden ein Einmischungsrecht
in Fragen eingeräumt würde, welche unsere innere Organisation und die
ganze Zukunft beider Staaten der Monarchie berühren. (Lebh. Zust.) Das
ist nicht anders zu bezeichnen als eine capilis diminutio der Monarchie,
ein Attentat gegen die Souveränität des eigenen Staates, gegen Thron
und Vaterland, welches von jedem, in dem nur ein Funken von patrioti-
schem Selbstbewußtsein und Liebe zum eigenen Staate lebt, als Hochverrat
mit Verachtung zurückgewiesen werden müsse. Wir haben nicht darum
geblutet, gekämpft und gesiegt, um zu Vasallen unserer Feinde zu werden.
edner will gar keine Frage an den Minister des Aeußern richten; es
müßte geradezu als Beleidigung gelten, wenn man überhaupt voraussetzen
könnte, daß er etwas anderes zu tun imstande wäre, als diese Zumutung
auf das entschiedenste zurückzuweisen. Die ganze ung. öffentliche Meinung,