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der Staatsgewalt im Interesse des Bürgers kommt auch hier wieder
deutlich zum Ausdruck.
Mit Baden gemein hat Württemberg eine Einrichtung, die
ebenfalls eine gewisse Einschränkung der Staatsgewalt darstellt:
Die Gemeindegerichtsbarkeit für geringfügige Zivilprozesse !*.
Sie bedeutet Verzicht auf «änzliche Durchführung des staat-
lichen Gerichtsmonopols, und es ist darum kein Zufall, daß diese
beiden demokratischen Staatswesen als einzige im Deutschen Reich
sie erhalten hatten und weiter an ihr festhielten.
Eine ganz besondere Stellung nahm Württemberg auch in
der Organisation der Ortspolizei ein. Während in Preußen alle
Polizei im Namen des Königs und in den großen Städten meist
durch besondere staatliche Polizeiverwaltungsbehörden ausgeübt
wurde, ist in den Mittelstaaten zwar überhaupt immer mehr der
Grundsatz gewahrt geblieben (welcher der ältere deutsche ist}!
und auch in der Verfassung der Paulskirche festgelegt wurde).
daß die Ortspolizei grundsätzlich Sache der Gemeinde ist. Bayern
und Sachsen haben aber hievon wenigstens für ihre Hauptstadt.
Baden außerdem noch für eine Anzahl anderer Städte des Landes
Ausnahmen gemacht, in ihnen also staatliche Polizeibehörden ein-
geführt, Württemberg hat als einziger Mittelstaat jenen Grund-
satz wirklich restlos durchgeführt und alle Bestrebungen auf Ver-
staatlichung auch nur der hauptstädtischen Polizei abgelehnt.
Dabei ist auch in Württemberg entschiedener noch als in Bayerı
und Baden die Auffassung, daß es sich bei der Ausübung der
10 Bei einem Streitwert bis höchstens 50 Mark württ. AG. z. ZPO.
v. 18. Aug. 1879 nebst Novellen. Vgl. HEGLER, Das Gemeindeger.Ver-
fahren in Baden u. Württemberg, 1900. Derselbe, Art. Gemeindegerichte
im Wört. d. St. u. Verw.R. 2. Aufl. II S. 156.
1 Er herrschte ja auch noch im preuß. Staat zur Zeit des allgemeinen
Landrechts vor; die Verstaatlichung der Polizei in Preußen ist erst mit
der STEIN-HARDENBERGschen Reform, und zwar als Abschwächung der-
selben eingeführt worden, welche gewisse Mitarbeiter STEINS durchzu-
setzen wußten. Vgl. darüber Anscnürtz, Polizei, Staat und Gemeinde in
Preußen, Festschrift für BRUNNER, 1914, S. 339 ff.