Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

Großbritannien. (April 18.) 285 
Zur Begründung der Entschließung führt Schatzkanzler Bonar Law 
aus: Wir begrüßen den Anschluß des neuen Alliierten auch wegen der 
moralischen Rechtfertigung, die er für unser eigenes Vorgehen gibt. Amerika 
ist wie das britische Reich in den Krieg verwickelt worden, nicht aus 
eigenem Wunsche und nicht wegen eigener Fehler, sondern weil es nicht 
anders handeln konnte. Die größe aller Fragen, die in diesem Kriege ent- 
schieden wird, ist die, ob freiheitliche Einrichtungen, auf welchen der Fort- 
schritt, die Zivilisation und die Wohlfahrt der Menschheit beruhen, gegen 
die zentralisierte Macht von militärischem Despotismus standhalten können 
oder nicht. In diesem Zusammenhang ist der Eintritt der großen Republik 
in den Krieg ein passendes Gegenstück zur Revolution, die das russische 
Volk, dessen Leiden so schrecklich gewesen sind, in den Kreis der befreiten 
Nationen innerhalb der Menschheit geführt hat. Ich habe neulich einen 
charakteristischen Auszug aus einer deutschen Zeitung gelesen, worin es 
hieß, Amerika trete um nichts in den Krieg ein. Vom deutschen Standpunkt 
aus ist das wahr. Amerika ist wie das britische Reich nicht von Eroberungs- 
lust oder Ländergier und von keinen selbstsüchtigen Zielen beseelt. Die 
Ideale, denen Präsident Wilson in jener Rede so edlen Ausdruck verliehen 
hat, sind auch unsere Ziele und unsere Ideale. Wie wir früher, so ist jetzt 
das amerik. Volk zu der Einsicht gelangt, daß es keinen anderen Weg gibt, 
diese Ziele sicherzustellen, als indem man für sie kämpft. 
Asquith, der Führer der lib. Opposition, führt zur Unterstützung 
der Entschließung aus: Ich bin im Zweifel, ob die neue Welt selbst sich 
die volle Bedeutung des Schrittes, den Amerika getan hat, vergegenwärtigt. 
Es ist keine Schmeichelei und keine Uebertreibung, wenn ich sage, es handelt 
sich um eine der selbstlosesten Handlungen in der Geschichte. 
Seit mehr als 100 Jahren war der Hauptgrundsatz der amerik. Politik, 
sich von den europäischen Verwicklungen fernzuhalten. Ein Krieg in solchem 
Maßstabe wie dieser muß den internationalen Handel und Geldverkehr 
stören. Aber alles in allem glaube ich, daß er den materiellen Glücksgütern 
und der Wohlfahrt des amerik. Volkes wenig Abbruch tat, und daß kein 
amerik. Interesse in der Heimat oder über See und am allerwenigsten die 
Wahrung der heimischen Unabhängigkeit und Freiheit durch die Ansprüche 
und die Ziele der Mittelmächte unmittelbar bedroht worden sind. Was ist 
es denn, was Wilson in den Stand gesetzt hat, nachdem er mit Geduld 
gewartet hatte, die einst Pitt als die erste Tugend eines Staatsmannes 
bezeichnet hat, die geeinigte Nation mit sich in die Wechselfälle des größten 
Krieges in der Geschichte zu ziehen? Es ist nicht Aussicht auf materiellen 
Gewinn, nicht Hoffnung auf territoriale Vergrößerungen, nicht einmal eine 
jener sogenannten Ehrenfragen, die in vergangenen Tagen Nationen wie 
Einzelpersonen zum Zweikampfe getrieben haben. Es ist nichts derartiges, 
es ist die zwingende Gewalt des Gewissens der Menschheit, dessen Kraft 
und zwingende Macht Monat für Monat mit der allmählichen Enthüllung 
des wahren Charakters der deutschen Ziele und der deutschen Methoden 
vor den Augen der Welt wächst. Die ganze Zukunft der Zivilisation und 
besonders der Demokratie ist in Gefahr. In solcher Lage sich fernzuhalten, 
ist nicht nur Torheit, sondern Verbrechen. Wer abseits steht, mit verstopften 
Ohren, verschränkten Armen und abgewendetem Blick, wenn er die Macht 
hat, einzugreifen, ist nicht ein bloßer Zuschauer, sondern macht sich zum 
Mitschuldigen. Ermuntert und gestärkt durch die Kameradschaft Amerikas, 
erneuern wir hier den Eid der Treue und Hingebung. 
Dillon schließt sich im Namen der irischen Nationalisten der Be- 
rüßung der Ver. St. an. Er erklärt, es sei schwer, die volle Bedeutung 
* Eintrittes Amerikas in diesen Kampf zu umschreiben. Es sei nicht wie 
 
	        
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