312 Grehibritannien. (Juli 22.—24.)
Volke, das sich einst unter der russischen Flagge befand, die Freiheit zu
gewähren. Seither ist der letzte Schatten eines Vorwandes für Deutschland
völlig verschwunden, daß es für seine Freiheit und Unabhängigkeit kämpfe,
selbst wenn es ihn je besessen hätte. Es ist jetzt ein Kampf zweier
bestimmter Gruppen geworden. Die eine: eine demokratische Gruppe —
die andere: Völker, beherrscht von einer militärischen Autokratie, Deutsch-
land, Oesterreich, die Türkei und König Ferdinand von Bulgarien als ge-
eigneter Genosse. Es ist ein Wechsel eingetreten, ein bedeutungsvollerer
Wechsel, als die Ersetzung Bethmann Hollwegs durch Michaelis, das ist
der Wechsel, der vor einigen Stunden (s. Rußland, 21. Juli) von dem
glänzenden jungen russischen Staatsmanne verkündet worden ist, der die
hervorstechendste Figur der russischen Revolution ist, von dem Manne, dessen
Geist die russische Militärmacht wiederhergestellt und wieder belebt und der
die Führerschaft der Demokratie übernommen hat. In den kommenden
großen Kämpfen im Osten und Westen muß jeder deutsche Soldat in seinem
Herzen wissen, daß, wenn er fällt, er für die militärische Autokratie füällt,
im Kampf gegen einen Bund freier Völker. Andererseits weiß jeder belgische,
jeder französische und russische Soldat, daß er sein Leben wagt für die
Freiheit und Unabhängigkeit seines Geburtslandes. Jeder englische, jeder
amerikanische und jeder portugiesische Soldat weiß, daß er Seite an Seite
sicht mit den anderen für das Völkerrecht und für Gerechtigkeit in der
ganzen Welt. Und diese wachsende Ueberzeugung gibt mehr noch, als das
Bewußtsein unserer großen, unverbrauchten Hilfsmittel, Ihnen allen den
Mut, gibt uns den Mut, bis zum Ende zu kämpfen, da wir voll und ganz
wissen, daß die Zukunft der Menschheit zu erhalten und zu verteidigen unsere
Aufgabe ist. (Die Erwiderung der „Nordd. Allg. Ztg.“ s. Tl. 1 S. 728.)
22. Juli. Kennedy Jones, der Director of Food Economy.
tritt zurück.
Als Grund gibt „Reuter" an, daß er seine Aufgabe erfüllt hat, die
Bevölkerung an sparsamen Verbrauch von Lebensmitteln zu gewöhnen.
23. Juli. (Unterhaus.) Mindestlohn der Landarbeiter.
Bei der Beratung des Gesetzentwurfes über die Getreideerzeugung
(s. S. 288) wird der Antrag des Abg. Wardle (Arb.), den Mindestlohn der
landwirtschaftl. Arbeiter von 25 Schilling wöchentlich, wie im Entwurf festgesetzt
ist, auf 30 Schilling zu erhöhen, mit 306 gegen 102 Stimmen verworfen.
Die Regierung hat die Vertrauensfrage gestellt. Innerhalb der liberalen
Partei besteht ein scharfer Widerstand gegen dieses Getreidegesetz, da es
die Landwirtschaft auch nach dem Kriege bevorteile. Dieser Widerstand
hat die Folge, daß das Zustandekommen des Gesetzes immer weiter ver-
schleppt wird. Die kons. Blätter ließen keinen Zweifel darüber, daß die
Regierung das Haus auflösen werde, im Falle die Abstimmung eine Minder-
heit oder auch nur eine kleine Mehrheit für die Regierung ergeben werde.
Diese Drohung wirkte, so daß trotz der weitgehenden Unzufriedenheit mit
dem Gesetz der Zusatzantrag abgelehnt wird.
24. Juli. (Unterhaus.) Kriegskreditvorlage. Friedensgrundsätze.
Schatzkanzler Bonar Law bringt eine Kreditvorlage über 650 Mill.
Pf. St. (für August bis Okt.) ein, wobei er sagt: Die durchschnittliche taͤg-
liche Ausgabe aus dem letzen Kredit übertraf den Voranschlag um eine
Million Pf. täglich. Für die 112 Tage des gegenwärtigen Fiskaljahres war
der Aufwand auf 5411000 Pf. für den Tag veranschlagt, während sich
die tägliche Ausgabe in Wirklichkeit auf 6795000 Pf. stellte. Von dem