Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

366 Greßjbrilannien. (Dezember 4.—11.) 
gehen Lansdownes gut, während die kons. Blätter es mißbilligen. Alle 
Blätter haben den Brief veröffentlicht, mit Ausnahme der Northeliffe-Presse. 
Am 1. Dez. teilt „Reuter“ halbamtlich als Ansicht der britischen Re- 
gierung über den Brief folgendes mit: Lord Lansdowne hat in seinem 
Brief nur für sich selbst gesprochen. Bevor er ihn schricb, hat er sich weder 
mit irgendeinem Mitglied der Regierung darüber beraten noch in Verbin- 
dung gesetzt. Die Minister haben den Brief mit ebensolcher Ueberraschung 
gelesen, wie jedermann sonst. Die in dem Briefe zum Ausdruck gebrachten 
Anschauungen stellen in keiner Weise die Auffassungen der englischen Re- 
gierung dar, noch zeigen sie im geringsten Grade an, daß irgendein Wechse 
oder eine Modifizierung in der Kriegspolitik dieses Landes eingetreten ist. 
Diese ist auch jetzt noch die gleiche, welche sie immer gewesen ist, und wie 
sie durch den Premierminister, durch Asquith, Bonar Law und Balfour 
umschrieben worden ist. Diese Kriegspolitik ist in mannigfaltigen Reden 
zum Ausdruck gebracht worden, aber vielleicht ist sie am besten in der un- 
längst erfolgten Aeußerung Clemenceaus zusammengefaßt worden, welche 
lautet: Die Kriegsziele, für welche wir kämpfen, das ist der Sieg. 
Die konservativen und unionistischen Vereinigungen des 
Landes halten am 30. in London eine von 1500 Vertretern besuchte Partei- 
versammlung ab, die in einer Entschließung ihr Bedauern über den 
Brief ausspricht und sich für die von der Regierung festgelegten Kriegs- 
ziele erklärt. (S. ferner S. 367 ff., 370 f.) 
4. Dez. Addison nimmt die neu errichtete Stellung als Minister 
für öffentliche Gesundheitspflege an. 
5. Dez. (Unterhaus.) „Deutsche Vielweiberei." 
Auf eine Frage des Abg. King, welche Informationen die Regierung 
darüber besitze, daß, wie Lord Robert Cecil kürzlich behauptet habe, amt- 
liche deutsche Stellen die Polygamie ermutigten, erwidert der Staats- 
sekretär des Aeußern Balfour: Die Regierung erfuhr kürzlich, daß eine 
neutrale Zeitung auf eine in Deutschland erschienene Broschüre hinwies, 
welche die „Nebenehe“ als sicheres Mittel zur Beschaffung eines neuen und 
mächtigen Heeres und zur Hebung der Sittlichkeit empfahl. Die Zeitung 
betonte, daß diese Broschüre amtlich oder halbamtlich unter Militär und 
Zivilbevölkerung verbreitet würde. Abg. King stellt daraußfhin fest, daß Lord 
Cecil auf Grund einer unkontrollierbaren neutralen Zeitungsnachricht be- 
deutsame Reden halte. Es entspreche aber nicht seiner Stellung, Erklärungen 
abzugeben, die sich auf eine so jämmerliche Grundlage stützen. 
7. Dez. (Unterhaus.) Die Wahlreformvorlage (s. S. 298 f.) 
wird in dritter Lesung angenommen. 
10. Dez. Englisch-niederländisches Weißbuch. 
Die Regierung veröffentlicht ein Weißbuch mit dem Schriftwechsel 
zwischen der britischen und der niederländischen Regierung über die Frage 
der Zulassung britischer, zur Verteidigung bewaffneter Handelsschiffe in 
niederländischen Häfen. 
11. Dez. (Unterhaus.) Vermehrung der Flottenmannschaft. 
Metallhandel. „Deutsches Friedensangebot." 
Das Haus genehmigt die Vermehrung der Flottenmannschaft um 
50000 Mann. — Sodann beginnt die zweite Lesung der Gesetzvorlage über die 
nichteisenhaltigen Metalle (Nonferrous Metals-Bill), die aus dem engl. Handel 
mit nichteisenhaltigen Metallen (Zink, Kupfer, Zinn, Blei und Aluminium
	        
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