Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

frankreich. (Januar 23.—27.) 383 
Klarheit allen unabhängigen Ländern zum Bewußtsein gekommen ist? — 
Die Kammer vertagt die Interpellation auf unbestimmte Zeit mit 437 gegen 
57 soz. Stimmen (50 Mitgl. d. soz. Mehrheit enthalten sich der Abstimmung). 
Die Kammer nimmt ferner einstimmig einen Antrag Diagne an, 
in dem gegen das deutsche Verlangen Einspruch erhoben wird, daß die 
farbigen Truppen von den Schlachtfeldern ausgeschlossen würden, wo 
es „um das Schicksal des Vaterlandes, der Zivilisation und der Freiheit 
der Welt“ gehe. 
23. Jan. (Kammer.) Heeresersatz. Kriegsgewinnsteuer. 
Unterstaatssekretär Besnard bringt einen Gesetzantrag über eine all- 
gemeine Nachmusterung ein. Danach sollen nur die während des Krieges 
Verwundeten und Pensionsberechtigten von der Nachmusterung ausgenommen. 
sein. Die Regierung verlangt dringliche Behandlung der Vorlage. Sie 
wird der Heereskommission der Kammer überwiesen, die beschließt, die 
Regierungsvorschläge dahin abzuändern, daß nur die vor dem Krieg als 
untauglich Erklärten einer Nachmusterung unterzogen werden. 
Ferner bringt Finanzminister Ribot den vom Senat bereits ge- 
nehmigten Antrag auf Besteuerung der Gewinne aus Industrie, Handel 
und Landwirtschaft ein. 
25. Jan. Organisation des Flugdienstes. 
Das „Journal“ meldet: Kriegsminister Liautey hat einen Zentral- 
organismus für den Flugdienst vor und hinter der Front geschaffen, 
der dem General Guillemin unterstellt werden soll. 
25.—27. Jan. (Kammer.) Orientexpedition. Balkanpolitik. 
Die Kammer beschließt mit 289 gegen 187 Stimmen, die Interpellation 
Ferry über die Lage des Expeditionskorps im Orient und die Inter- 
pellation Abrami über die Ereignisse in Athen am 1. und 2. Dez. 1916 
und die Politik der Regierung gegenüber Griechenland in einer 
Geheimsitzung zu erörtern. 
Nach ihrem Abschluß (am 27.) erklärt Ministerpräsident Briand, die 
Regierung nehme von den eingebrachten sechs Tagesordnungen nur die 
Tagesordnung Lenoir an, die der Regierung einfach das Vertrauen 
ausspricht. Diese Tagesorduung lautet: Indem die Kammer das Attentat 
vom 1. Dez. brandmarkt, verbeugt sie sich achtungsvoll vor den gefallenen 
Opfern. Wenn Frankreich vor der Welt mit Recht stolz darauf sein kann, 
seine hochherzige Haltung gegen das von seinen Pflichten abgewichene 
Griechenland der verabscheuungswürdigen Haltung Deutschlands gegenüber 
dem seinen Verpflichtungen treuen Belgien entgegenzustellen, so ist zu er- 
wägen, daß Frankreich wenigstens bis ans äußerste Ende geduldig gewesen. 
ist, um seinen Ueberlieferungen treu zu bleiben und um einem kleinen 
Volke nicht die Fehler seiner Regierenden zur Last zu legen. Indem die 
Kammer das Vertrauen zur Regierung hat, daß sie die Durchführung der 
unerläßlichen Genugtuung bis ans Ende betreiben wird, daß sie fortfahren 
wird, alle notwendigen Maßnahmen für die Sicherheit der nach Salonikie 
gegangenen Armee zu treffen, ebenso wie für die Einhaltung der von 
Griechenland gegenüber dem heldenmütigen Serbien unterzeichneten Ver- 
pflichtungen, und daß sie in voller Uebereinstimmung mit den Verbündeten 
die Verwaltung der Streitkräfte regeln und alle Entschädigungen diploma- 
tischer und militärischer Natur, welche die Lage erheischt, treffen wird, lehnt 
sie jeden weiteren Zusatz ab und geht zur Tagesordnung über. 
Nach erregter Debatte, in der die Politik Briands heftig angegriffen 
wird, wird schließlich der erste Teil der Tagesordnung Lenoir durch Hand-
	        
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