Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

408 Frankreich. (Mai 25.) 
ungefähr gleich sind. 4. Die Verteilung der Lebensmittel muß unter Auf- 
sicht der Regierung vor sich gehen. B. sagt weiter, die Getreideankäufe im 
Auslande haben die Bedürfnisse der Alliierten bis zum August gedeckt, für 
die nächste Getreideernte empfiehlt sich eine Bestandaufnahme und ein Ein- 
eitspreis für das ganze Jahr. Nach Abzug des Saatgetreides wird die 
te 36 Mill. Zentner ergeben, d. h. für sechs Monate Mehl zu 85 Proz., 
wozu man noch drei Monate hinzurechnen darf, dank den Ersatzmitteln. Das 
Uebrige müsse durch Einfuhr gedeckt werden. (Forts. der Debatte s. S. 410.) 
25. Mai. (Kammer.) U-Bootkrieg. 
Bei der Vesprechung von Interpellationen betr. den U. Bootkrieg 
erklärt Ministerpräsident Ribot, die Regierung sei der Ansicht, daß es 
von Nutzen sei, wenn die Debatte sich öffentlich abspiele. Wenn die Kammer 
jedoch eine Geheimsitzung wünsche, so verlange die Regierung nur, daß 
der Marineminister der Oeffentlichkeit Erklärungen abgebe. 
Abg. Cels erklärt, daß die Tauchbootsgefahr tatsächlich schwer sei. Er 
gibt eine Statistik über die jedes Quartal zerstörte Handelstonnage. Bis 
zum dritten Quartal 1916 hielten sich die Verluste zwischen 300- und 
350000 To. im Quartal. Seither sind sie ständig gewachsen und erreichten 
2100000 To. für die vier ersten Monate 1917, was dem Bestande der 
französischen Handelsflotte gleichkomme. Der Abg. geht weiterhin auf die 
Möglichkeit ein, die zerstörten Schiffe durch neue zu ersetzen. Er stellt an 
der Hand von Ziffern fest, daß diese Möglichkeit schon seit Mitte 1916 
(seit die Sequestrationen zu Ende gingen) nicht mehr besteht. Er weist 
ferner darauf hin, daß es Deutschland vielleicht mehr an Nahrungsmitteln 
fehle als Frankreich, aber nachdem es ihm gelungen sei, Ersatz für Baum- 
wolle herzustellen, werde es in keiner Weise mehr in der allgemeinen Krieg- 
führung bchindert. während England bereits gezwungen sei, das Holz der 
franz. Wälder für die Erhaltung der Kriegsbereitschaft an seiner Front in 
Frankreich auszubeuten. Redner erhebt eine scharfe Kritik gegen die Sorg- 
losigkeit, mit der Briand die U-Bootgefahr behandelte, und kündigt an, daß 
er die Mittel zur Abwehr der U-Bootgefahr erörtern werde. Er bittet jedoch, 
für diesen Teil seiner Rede die Oeffentlichkeit auszuschließen. 
Nach Wiederaufnahme der öffentlichen Sitzung gibt Marineminister 
Admiral Lacaze folgende Erklärungen über die Lage des Tauchbootkrieges: 
Unsere Feinde haben erklärt, daß sie Frankreich und England auf die Knie 
zwingen werden. Ich sage mit Lloyd George und Lord Milner, daß uns 
die Tauchbootgefahr niemals niederzwingen wird. Wir haben schwere 
und grausame Verluste. Das Land wird sie jedoch heldenhaft ertragen. 
Mit der beschlagnahmten feindlichen Tonnage, mit der gekauften und der 
neuerbauten Tonnage werden die alliierten und die neutralen Flotten zu 
Beginn des Jahres 1918 ungefähr gleichviel Tonnage besitzen, wie zu Be- 
ginn des Krieges. Für die ersten vier Monate 1917 kann man die Gesamt- 
verluste auf 2500000 Tonnen schätzen. Wenn man ohne Optimismus die 
neuen Bauten in Rechnung stellt, werden wir bei gleicher Intensität des 
Tauchbootkrieges bis Ende des Jahres 4½ Millionen auf 40 Millionen 
Tonnen verloren haben. Kann man da wirklich behaupten, diese Tonnage- 
verminderung wird uns hindern zu leben? Die deutsche Blockadeandrohung 
ist für die alliierten Häfen effektiv undurchführbar. Wenn die Alliierten sich 
im Import Einschränkungen auferlegen, können wir die Bedürfnisse des Landes 
sichern, ebenso die Transporte von Kriegsmaterial. Die Ziffer der Ver- 
senkungen bis zum 23. Mai ist im großen Abnehmen begriffen. Sie hat 
sich nur um 290000 To. erhöht. Die deutsche Blockade war niemals wirksom, 
denn in unsere Häfen liefen soviel Schiffe ein, als darin Platz fanden, und 
 
	        
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