Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

Frankriih. (Juni 7.—10.) 413 
„Havas“ berichtet aus Paris: Durch Dekret wird die Schaffung einer 
polnischen Armee unter franz. Oberkommando und unter poln. Fahne ver- 
fügt. Die zurzeit in der franz. Armee dienenden Polen sowie sonstige 
Polen können sich für die Dauer des Krieges zu dieser Armee anwerben 
lassen. In dem Berichte, der dem Dekret vorausging, heißt es, die alliierten 
Regierungen und besonders Rußland könnten nicht besser ihren Willen für 
die Wiederherstellung Polens zeigen, als dadurch, daß sie die Polen unter 
ihrem eigenen Banner kämpfen lassen. 
Die vereinigten Organisationen der poln. Demokratie in Paris erheben 
gegen diese Verordnung Einspruch. 
7.—8. Juni. (Kammer.) U-Bootkrieg. 
Bei der Fortsetzung der Interpellationsdebatte (s. S. 408 f.) erklärt 
Marineminister Lacaze, seine Hauptsorge sei immer der U--Bootkrieg ge- 
wesen. Es sei richtig, daß manchmal, wenn auf hoher See Schüsse fielen, 
die Küstenbewachung nicht immer ausgefahren sei, um nachzusehen, und 
zwar weil Patrouillenschiffe auf See gewesen wären oder die Besatzungen 
einen Ruhetag gehabt hätten. Längs der franz. Küsten sei ein ganzes 
Verteidigungsnetz errichtet worden. Die Verteidigung der Nordsee und des 
Aermelkanals sei durch drei Geschwader schneller Schiffe gesichert, die mit 
Flugzeugen zusammenarbeiteten. Daneben gebe es noch Schutzgeschwader 
für die Schiffahr. Im Atlantischen Ozean gebe es drei Divisionen, ein 
Geschwader für den Schutz der Schiffahrt und eins gegen die U-Boots- 
Stützpunkte. Die Ausbildung dieser Organisation sowie des Flugwesens 
werde fortgesetzt. Außerdem seien jetzt die Amerikaner zu Hilfe gekommen. 
Im Mittelmeer sei die Organisation mit Hilfe der Engländer, Italiener 
und Japaner einheitlich durchgeführt worden. Seiner Ansicht nach nehme 
die Zahl der in Dienst befindlichen deutschen U-Boote nicht zu, dagegen 
seien die Mittel der Alliierten zur Bekämpfung der U-Boote wirksamer 
geworden. Das franz. Hochseegeschwader befinde sich in Korfu, um die Aus- 
fahrt der österr. Flotte zu verhindern. Solange er Minister sei, werde das 
Geschwader auch dort bleiben. 
Am 8. wird der von der Regierung gebilligten Tagesordnung 
Aiam mit 310 gegen 178 Stimmen die Priorität zuerkannt und diese 
selbtt angenommen. Sie lautet: Die Kammer vereinigt sich in dem Ge- 
danken gleicher Bewunderung und Dankbarkeit für die Seeleute der Handels- 
flotte und der Kriegsflotte, entschlossen in Uebereinstimmung mit den 
Alliierten den Kampf gegen die feindlichen U-Boote nachdrücklicher zu 
führen. Sie vertraut auf die Regierung, daß sie rasch die vom Marine- 
kriegsausschuß verlangten Maßnahmen zur Anwendung bringen wird, so 
vor allem die Schaffung einer allgemeinen Leitung für den U-Bootkrieg, 
die Spezialisierung der Kriegs= und Handelsschiffe und die Abrüstung 
der Schiffe, die keinen militärischen Wert besitzen, und geht zur Tages- 
ordnung über. 
8. Juni. (Senat.) Engl. Arbeitswoche. U.-Bootbekämpfung. 
Der Senat nimmt den Gesetzentwurf, der für die Frauen im Kleider- 
gewerbe die Einführung der engl. Woche vorsieht, einstimmig an. Auch 
e. Vorlage, die dem Marineministerium zur Verteidigung gegen den U--Boot- 
krieg Mittel bewilligt (ihre Höhe wird nicht bekannt), wird angenommen. 
10. Juni. Protest gegen die Liquidationen franz. Eigentums. 
Der Minister des Auswärtigen richtet durch Vermittlung des span. 
Gesandten in Berlin an die deutsche Regierung eine Erklärung, wonach die 
franz. Regierung die Liquidationsmaßnahmen gegenüber franz. Eigentum
	        
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