Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

416 F##reich. (Juni 26.) 
tragisch. Es heißt, bis zum Ende zu kämpfen, weil wir nicht einen faulen 
Frieden annehmen könnten, ohne die Söhne unserer Söhne dem nächsten 
Massenopfer auszusetzen. Die amerik. Armee bringt uns ihre dauernde 
Hilfe. Alle freien Völker stehen aufrecht da. Es wird keinen Frieden geben, 
solange diese blutige Autokratie besteht, der wir bereits so fühlbare Streiche 
versetzt haben. Sie werden den Weg der Pflicht schreiten. Sie vesteht ein- 
fach darin, vor allem Männer zu sein. Wir werden bis zum Ende gehen. 
(Langanhaltender Beif.) — Der öffentliche Anschlag der Reden Ribots und 
Vivianis wird unter großem Beifall beschlossen. 
ierauf geht die Kammer zu der Erörterung der prov. Budget- 
zwölftel für das dritte Vierteljahr 1917 (s. S. 406 f.) über. Bei Erörterung 
der eigentlichen Kriegskredite verlangt der Abg. Brizon (Zimmerwalder 
Soz.) für die Soldaten Unterdrückung von Strafen, Verbesserung der 
Nahrung, Auszahlung der Schützengrabenentschädigungen (diese beträgt 
täglich 1 Fr., doch werden davon 50 Cts. bis zum Frieden „verwahrt“., 
mehr Urlaub und Heimsendung älterer Jahresklassen. Ferner tadelt Br. 
die Beschlüsse Ribots. Präsident Deschanel ruft Brizon zur Ordnung, der 
hierauf „Frieden um jeden Preis!“ fordert. Deschanel erwidert, nur 
die Kammer und die Regierung könnten über eine solche Frage sprechen: 
es sei seltsam, daß ein Abgeordneter sich so äußern könne. 
Vor der Abstimmung (am 15.) verliest Abg. Renaudel namens der 
Soz. eine Erklärung, die die früheren Erklärungen erneuert, und sagt: Die 
soz. Partei wird für die Kredite der nationalen Berteidigung stimmen, in- 
dem sie sich den Anstrengungen aller Alliierten anschließt, um von den 
Mittelmächten Wiederherstellung des Rechtes Elsaß-Lothringens, das 1871 
verletzt wurde, zu erlangen, sowie die den besetzten Gebieten und den 
unterdrückten Nationen gebührenden Wiedergutmachungen und endlich einen 
Frieden zu erlangen, der sich auf zwischenstaatliche Gerechtigkeit und das 
Recht der Völker gründet, selbst über sich zu bestimmen. Unsere Soldaten 
werden so die Gewißheit haben, daß der durch den Angriff der Mittel- 
mächte eröffnete Krieg nur durch deren Schweigen über die Kriegsziele, 
die sie erreichen wollen, verlängert wird. R. versichert, Frankreich wohe 
die freie Entwicklung keines Volkes hindern, suche keine Eroberung und 
bedaure, daß die Regierung der Vaterlandsliebe der Sozialistenvertreker 
für Stockholm kein Vertrauen geschenkt habe. 
Der Abg. Roux-Costadeau (Zimmerwalder Soz.) begründet seine 
Ablehnung der Kredite. Er protestiert unter großem Lärm des Hauseds 
gegen die mörderischen Offensiven der französischen Armee und verlangt, 
baß die Verbündeten die Franzosen an der Front ablösen, damit das Land 
über die 500000 Männer verfügen könne, die es für Erhaltung der Existenz 
bedürfe. Die Kredite für die prov. Budgetzwölftel werden sodann mit 535 
gegen 4 Stimmen (Zimmerwalder Soz.) bewilligt. 
Am 29. genehmigt auch der Senat das Budgetprovisorium einstimmig 
mit 240 Stimmen. 
26. Juni. (St. Jean de Maurienne.) Ententekonferenz. 
„Havas“ berichtet darüber: In St. Jean de Maurienne hat eine 
militärische Beratung stattgefunden, woran Generalissimus Cadorna, 
General Radcliffe (Führer der engl. Mission bei der ital. Heeresleitung 
und die Generale Foch und Pernin teilnahmen. Obwohl die größte 
Zurückhaltung über die behandelten Fragen geboten ist, ist doch soviel ge- 
wiß, daß Cadorna und Foch zu einem Einverständnis über die Art der 
Zusammenarbeit der franz. und der ital. Truppen bei den begonnenen 
Operationen in Kleinasien und an den heiligen Stätten gekommen sind.
	        
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