Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

Frankreich. (Juni 27.—Juli 7.) 417 
Sie prüften auch die Lage, die sich auf dem Balkan infolge der jüngsten 
Ereignisse in Griechenland ergeben hat, und studierten endlich die Pläne 
einer allgemeinen Offensive, die die Alliierten jetzt gleichzeitig beginnen 
müßten, wo es mehr als gewiß scheint, daß Rußland demnächst in der 
Lage sein wird, auch seinerseits die Offensive zu ergreifen. 
27. Juni. (Paris.) Gründung der „Republ. Ligas“. 
Die Partei verfolgt den Zweck, den Krieg bis zur Erreichung der 
von dem Präsidenten Wilson aufgestellten Kriegsziele fortzusetzen. Ihr 
Führer ist der frühere Finanzminister Caillaux. Zu ihren Gründern 
gehören ferner Bildhauer A. Rodin, Anatole France, Heury Barbousse, 
B. Basch, V. Margueritte, die Abgg. Accambray, Almoreyda, Augagneur, 
Dalbiez, J. Hennessy, A. Hesse, P. Laval u. a. Das Organ der Partei ist 
das neugegründete Blatt „Le Pays"“. Sie wird von der gesamten kriegs- 
hetzerischen Presse aufs heftigste angegriffen. 
3. Juli. (Brest.) Landung der ersten amerikanischen Regimenter. 
Kommandant des amerik. Expeditionskorps ist Generalmajor Sibert, 
der die Feldzüge auf den Philippinen, Kuba und Mexiko mitgemacht hat. 
Befehlshaber der die Transporte begleitenden amerik. Kriegsflotte (Kreuzer 
und Torpedoboote) ist Admiral Glegaves. Die amerik. Flottenbasis steht 
unter dem Kommando des Obersten Stanley. 
3.—14. Juli. Das engl. Königspaar besucht die engl. Front in 
Frankreich. 
Am 10. trifft das Königspaar mit Präsident Poincars zusammen. — 
Zum Schluß erläßt der König einen längeren Tagesbefehl, in dem er 
den Truppen seinen Dank ausspricht. 
5. Juli. Einbürgerungsgesetz. 
Das „Amtsblatt“ veröffentlicht das Gesetz, das den in Frankreich 
geborenen Söhnen von Ausländern die franz. Staatszugehörigkeit zu- 
spricht, sobald sie das achtzehnte Lebensjahr erreicht haben. Auf Söhne 
von Angehörigen des feindlichen Auslandes, die in Frankreich interniert 
sind, findet diese Bestimmung keine Anwendung. 
7. Juli. (Kammer.) Kritik der Heeresleitung. 
Nach Beendigung der am 29. Juni begonnenen Geheimsitzungen tritt 
die Kammer in die öffentliche Besprechung der Interpellationen über die 
Führung der militärischen Operationen während der Apriloffensive 
und die Mißstände im Sanitätswesen ein. Präsident Deschanel verliest 
die vorliegenden 14 Tagesordnungsanträge mit Ausnahme der von der 
äußersten Linken vorgeschlagenen Tagesordnung. Die Antragsteller, die 
Zimmerwalder Soz. Brizon, Blanc und Raffin-Dugens erheben dagegen 
Einspruch. D. lehnt jedoch die Verlesung ab, die Tagesordnung erscheine 
ihm unannehmbar, sie laufe der Verfassung zuwider und enthalte eine 
Beleidigung der Regierung und eine Einmischung in das Oberkommando. 
Abg. Augagneur, der als erster das Wort erhält, erklärt, er und 
seine Freunde verlangten stärkere parlamentarische Kontrolle in der Armee, 
beispielsweise durch Anwesenheit eines Unterstaatssekretärs in der Heeres- 
zone. Die geheime Sitzung habe nichts ergeben, was man nicht schon ge- 
wußt habe. Man habe strenge Kritik an der letzten Offensive geübt, die 
nicht gelungen sei, weil die Regierung keine genügende Kontrolle ausgeübt 
abe. Die Kammer habe das Recht, die Ziele und Mittel der militärischen 
perationen kennen zu lernen, um unnütze Blutopfer zu vermeiden. Redner 
Europäischer Geschichtskalender. LVIII. 27
	        
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