462 frankreich. (Oktober 25.—November 10.)
Abg. Renaudes stellt fest: Barthous Garantien sind die unserer Annexionisten!
Barthou fortfahrend: Unsere Friedensbedingungen richten sich nach unserem
militärischen Sieg. (Wilder Protest bei den Soz.) Die Ereignisse haben
gezeigt, daß die Kraft des Rechtes nicht ausreicht, wir brauchen die Gewal:
der Waffen! (Stürm. Beifall der Bürgerlichen.)
Abg. A. Thomas (Soz.) richtet an Barthou die Frage: Angenommen,
die Entente hat den vollen Sieg, werden dann die Alliierten die Welt nach
den Grundsätzen des Rechts oder nach dem Willen der Annexionisten ordnen?
Will Barthou unter dem Schleier der Neutralisation die deutsche Rhein-
provinz annektieren? Wir verlangen eine klare und deutliche Antwort.
Ministerpräsident Painlené antwortet, Frankreich fordere die Inkraft=
setzung seines Rechtes und werde den Krieg mit äußerster Kraft bis zum
Siege durchführen. — Barthou spricht sein Erstaunen aus, daß Thomas
etwas Bestimmtes über die Bürgschaften wissen wolle, die man fordern
müsse, um den preuß. Militarismus zu zerbrechen. Eine Besprechung dieser
Frage würde verfrüht und gefährlich sein. (Neuer furchtbarer Tumult auf
den soz. Bänken.) Barthou ruft in höchster Erregung: Diese Friedensdebatten
sind überhaupt nutzlos und gefährlich! Nur die Soldaten und die Waffen
haben das Wort! Im Lärm, der jetzt endlos folgt, erhebt sich Thomas
zum zweitenmal und sagt: Zwischen Barthou und uns gähnt ein Abgrund.
Mountet schließt sich an: Barthou will die Herrschaft der Gewalt verewigen,
kein Sozialist wird für seine Regierung stimmen.
Darauf nimmt die Kammer mit 288 gegen 137 (zumeist soz.) Stimmen
bei 67 Stimmenthaltungen folgende Tagesordnung an: Im Vertrauen zu der
Regierung, daß sie durch eine immer stärkere militärische und diplomotische
Tätigkeit und eine immer engere Verbindung zwischen den Alliierten den
endgültigen Sieg des Rechtes sichern werde, geht die Kammer zur Tages-
ordnung über.
25.—27. Okt. (Paris.) Parteitag der Rad.-Soz.
Am 26. kommt es zu einer lebhaften Verhandlung über die Haltung
der radikalen Kammerfraktion während der letzten Regierungskrisen. Abg.
Franclin Bouillon, der Propagandaminister im Kabinett Painleé, gibt
zu, daß die radikale Partei mehr Einfluß beanspruchen könnte, als sie besivze,
wenn sie über geeignete Führer verfügen würde. Die alten Parteiführer
hätten sich in persönliche Streitigkeiten verloren und die großen Bedürfnisse
der Nation außer Acht gelassen. — Caillaux erinnert daran, daß er
selbst im August 1914 die Einführung einer Regierung der nationalen
Einigkeit gebilligt habe. Er habe damals, wie alle Welt, an einen kurzen
Krieg geglaubt. Der Krieg ziehe sich nun aber schon jahrelang hin und
die Formel von 1914 habe dazu geführt, gerade diejenigen Politiker von
der Regierung auszuschließen, die seit den Wahlen im Mai 1914 durch das
allgemeine Stimmrecht dazu berufen waren. C. unterstützt den Antrag auf
Durchführung einer Parteidisziplin und schildert die Notwendigkeit, die
Diktatur der Verleumdung zu brechen, die neuerdings gegen Malvy wüte.
wie sie gegen ihn selbst gewütet habe. Man könne ihn töten; aber nicht
hindern, die demokratischen Interessen zu verteidigen. — Der Parteitag nimmt
einstimmig eine Vertrauenskundgebung für Malvy und Caillaux an.
5.—7. Nov. Ententekonferenz in Rapallo. (S. Italien.)
10. Nov. Der Kassationshof erkennt gegen den Präsidenten des
Appellgerichtshofes Monnier, der sich seinerzeit für Bolo Pascha
verwandt hat, auf Amtsentsetzung.