Trankreich. (Dezember 27.) 485
alt sind und sich seit 18 Monaten in Gefangenschaft befinden, werden in
ihre Heimat zurückgeschickt. Diese Regel wird in Zukunft automatisch be-
folgt werden. Die Offiziere werden unter den nämlichen Voraussetzungen
in der Schweiz interniert werden. Außerdem sind bemerkenswerte Ver-
besserungen erreicht worden für alle in Gefangenschaft befindlichen Soldaten
in bezug auf ihren Briefwechsel, die Paketsendungen, die Arbeit und Disziplin.
Trotz der edelmütigen Bemühungen der Schweizer Behörden und des Zu-
geständnisses, zu denen die franz. Vertreter ermächtigt worden waren, ist
noch kein Einvernehmen zustande gekommen für die Rückkehr oder Inter-
nierung der Gefangenen, die mehr als vierzig Jahre alt oder Vater von
drei Kindern sind. Infolge neuer Einsprüche der Vertreter Deutschlands,
die daraufhin abgereist sind, haben die Verhandlungen eine Unterbrechung
erfahren, doch ist die Hoffnung gestattet, daß dank der guten Beziehungen
der Bundesregierung ein Einvernehmen möglich werden wird in bezug auf
die noch schwebenden Fragen. (S. auch Tl. 1 S. 1044.)
27. Dez. (Kammer.) Geheimverträge. Kriegsziele.
Zunächst begründet Abg. Montet (Soz.) eine Interpellation über
die zwischen den alliierten Regierungen ohne Vorwissen der Parlamente
gepflogenen und kürzlich (durch die russischen Veröffentlichungen) bekannt
gewordenen Verhandlungen und fragt, welche Maßnahmen die Regierung
infolge dieser Veröffentlichung zu ergreifen gedenke. Die franz. Diplomatie
habe einen falschen Weg eingeschlagen, indem sie Geheimverträge abschloß.
Gewiß sei Frankreich angegrissen worden. Es führe einen durchaus ge-
rechten Krieg und werde ihn bis zum logischen Ende, bis zu dem end-
gültigen Triumph der von dieser Hegemonie bedrohten Völker fortsetzen.
Die Vertragspolitik der Entente schaffe jedoch dauernden Konfliktsstoff. Der
Vertrag über Konstantinopel habe den Widerstand der Russen auch nicht
um eine Sekunde verstärkt, im Gegenmeil ihn geschwächt. Die Entente-
kabinette wollten Unmogliches, das Gleichgewicht der Mächte (in ihrem
Sinne) anstatt den Rechtsfrieden. Der Friede werde aber nicht durch Er-
oberungen, sondern durch den Sieg der Gerechtigkeit kommen. Die Soz.
würden unermüdlich die Revision der Kriegsziele verlangen. Tue es die
Regierung nicht, so werde es die Revolntion tun, die sich um die Geheim-
protokolle nicht kümmert. Nibot sagte seinerzeit, Rußland habe sich der
Veröffentlichung der Verträge widersetzt. Terestichenko habe im September
genau das Gegenteil gesagt. Frantreich sei jetzt in viel ungünstigerer Lage,
als wenn es nach der Geheimsitzung vom 5. Juni die Verträge veröffentlicht
hätte. M. verlangt, Engiand und Frankreich möchten auf Italien einen
Druck ausüben, um die Aufhebung der ital. Geheimverträge durchzusetzen.
Wenn Rußland sich heute in Brest-Litowsk mit Deutschland verständige,
so sei die Schuld bei den Ententekabinetten. Als M. aus die von Briand
verlangte Zustimmung Rußlands zur Annexion des linken Rheinufers durch
Frankreich hinweist, unterbricht ihn Briand und erklärt: Diese Verträge
sind durch die russische Regierung veröffentlicht worden, aber sie sind für
niemanden ein Geheimnis, und ich denke, daß die Kammer sie vor der
russischen Veröffentlichung gekannt hat. Ich hatte sie seinerzeit der Kom-
mission für auswärtige Angelegenheiten unterbreitet und sie waren in dieser
Kommission diskutiert worden.-Der einzige Tadel, dem ich dabei ausgesetzt
war, bestand darin, daß die Kommission den von uns beanspruchten Anteil,
den Sie ja kennen, nicht für genügend hielt. Sie können also heute nicht
behaupten, daß Sie von den Verträgen nichts wußten.
Der Minister des Aeußern, Pichon, erklärt, daß alle Vertreter der
Alliierten in Petersburg sfolgende Erklärungen abgegeben haben: An dem