Die ãsterreitisq·ngarishe Menarchie. (März 5.) 45
nächst bemerkt, daß sie sich in dem Notenwechsel, der die Fälle „Ancona"
und „Persia“ betraf, darauf beschränkt hatte, zu den konkreten Fragen
Stellung zu nehmen, die sich jeweils ergeben hatten, ohne ihre grundsätz-
liche Rechtsauffassung darzulegen. Sie hat sich aber in der auf den Fall
„Ancona“ bezüglichen Note vom 29. Dezember 1915 vorbehalten, die schwie-
rigen völkerrechtlichen Fragen, die mit dem U-Bootkriege zusammenhängen,
in einem späteren Zeitpunkte zur Erörterung zu bringen. Wenn sie nun-
mehr auf diesen Vorbehalt zurückkommt und die Frage der Versenkung
seindlicher Schiffe, auf die jenes Aide-Mémoire anspielt, einer kurzen Be-
sorechung unterzieht, so leitet sie hierbei der Wunsch, der amerikanischen
Regierung darzutun, daß sie an der von ihr erteilten Zusicherung nach
wie vor unverrückbar festhält, sowie das Bestreben, durch eine Klärung
jener wichtigsten aus deimn U. Bootkriege sich ergebenden, weil an die Ge-
bote der Menschlichkeit rührenden Frage Mißverständnissen zwischen der
Monarchie und der amerikanischen Union vorzubeugen. Vor allem möchte
die k. u. k. Regierung betonen, daß auch ihrer Ansicht nach die von der
amerikanischen Regierung aufgestellte und auch in mehreren gelehrten
Schriften vertretene These, daß feindliche Handelsschiffe, abgesehen von den
Fällen des Fluchtversuches und des Widerstandes, nicht vernichtet werden
dürfen, ohne daß für die Sicherheit der Personen an Bord gesorgt würde,
sozusagen den Kern der ganzen Materie bildet. Von einer höheren Warte
betrachtet, läßt sich diese These allerdings in einen weiteren gedanklichen
Zusammenhang eingliedern und solcherart auch ihr Anwendungsgebiet ge-
nauer abstecken: Man kann aus den Geboten der Menschlichkeit, welche sich
die k. u. k. Regierung und das Washingtoner Kabinett in gleicher Weise
zur Richtschnur nehmen, den allgemeineren Grundsatz ableiten, daß bei
Ausübung des Rechtes der Vernichtung feindlicher Handelsschiffe der Ver-
lust von Menschenleben soweit als irgend möglich vermieden werden soll.
Diesem Grundsatze kann der Kriegführende nur dadurch gerecht werden,
daß er vor der Ausübung des Rechtes eine Warnung erläßt. Er kann-
hierbei den Weg einschlagen, den die besagte These der Unionsregierung
weist, wonach der Befehlshaber des Kriegsschiffes die Warnung an das zu
versenkende Fahrzeug selbst richtet, damit sich Besatzung und Passagiere
noch im letzten Augenblick in Sicherheit bringen können; oder aber es kann
die Regierung des kriegführenden Staates, wenn sie dies als unabweis-
liche Kriegsnotwendigkeit erkannt hat, die Warnung mit voller Wirkung
schon vor der Ausfahrt des Schiffes erlassen, welches versenkt werden soll,
oder schließlich sie kann sich, wenn sie eine umfassende Maßnahme zur Be-
kämpfung des feindlichen Seehandels ins Werk setzt, einer allgemeinen, für
alle in Betracht kommenden feindlichen Schiffe bestimmten Warnung be-
dienen. Daß der Grundsatz, wonach für die Sicherheit der Personen an
VBord Sorge zu tragen ist, Ausnahmen erleidet, hat die Unionsregierung
selbst anerkannt. Die k. u. k. Regierung möchte aber glauben, daß die war-
nungslose Vernichtung nicht nur dann zulässig ist, wenn das Schiff flieht
oder Widerstand leistet. Es scheint ihr, um nur ein Beispiel anzuführen,
auch der Charakter des Schiffes selbst in Betracht gezogen werden zu müssen:
Handels- oder sonstige Privatschiffe, welche sich in den Dienst der Krieg-
führung stellen, etwa als Transport= oder Avisoschiffe, oder welche mili-
tärische Besatzung oder Waffen an Bord führen, um Feindseligkeiten irgend-
welcher Art zu begehen, dürfen nach geltendem Rechte wohl ohne weiteres
vernichtet werden. Des Falles, daß der Kriegführende jeder Rücksicht auf
Menschenleben entbunden ist, wenn sein Gegner feindliche Handelsschiffe
ohne jede vorgängige Warnung versenkt, wie dies in den bereits wieder-
holt gerügten Fällen der Schiffe „Elektra“, „Dubrovnik“, „Zagreb“ usw.