Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

492 Italieu. (März 1. - 17.) 
habe. Der heutige Veschlußantrag berühre wesentlich eine gegenwärtig meh: 
als je unzweckmäßige außenpolitische Frage und niemand, der einen sieg- 
reichen Frieden beschleunigen wolle, könne wünschen, daß sich die Regierung 
in Erörterungen von Argumenten, wie sie der soz. Antrag enthalte, einlasse. 
Er beantrage die Hinausschiebung des Antrages auf sechs Monate. 
Als Abg. Turati (Soz.) nach dem Hinweise darauf, daß die Ver- 
sorgung gegenwärtig mit der äußeren Politik notwendigerweise zusammer 
hänge, und daß deshalb der soz. Antrag zuerst behandelt werden müsse, 
namentliche Abstimmung über den Antrag Boselli fordert, erklärt de: 
Ministerpräsident Boselli, die Regierung müsse darüber die Vertrauens- 
frage stellen. Die Kammer werde sich hoffentlich gegenwärtig halten, daß 
alle die Rückkehr des Friedeus wünschen, daß aber der Friede nur durt 
den Sieg erreichbar und zum Sieg die Zurüstung der besten Kriegemin: 
in vollem Einvernehmen mit den Verbündeten erforderlich sei. 
Bei der namentlichen Abstimmung wird der Antrag Boselli mit 227 
gegen 31 Stimmen angenommen. Diese 31 Stimmen umfassen die offizicken 
Soz., zwei Giolittianer Chiaraviglio und Grosso-Campanaij, einen Kierl#alen 
und Enrico Ferri (U. Soz.. Vor der Abstimmung verlassen 60 Abgg. den Sacl. 
1.—17. März. (Kammer.) Wirtschaftspolitik der Regierung. 
Ausgehend von einer Besprechung über den Stand des Ackerbaues 
wird die gesamte Wirtschaftspolitik der Regierung einer icharier 
Kritik unterzogen und die vorhandenen Schwierigkeiten und Mitständ: 
durch verschiedene Interpellationen zum Auedruck gebracht. U. a liegt ein 
Antrag Milani betr. rechtzeitiger Freigabe ausreichender landwirtichan. 
licher Arbeilskräfte für mindestens drei Monate vor. Eine besonde:e Be- 
deutung erhält die Debatte dadurch, daß zum ersten Male nicht nur von 
soz., sondern auch von bürgerlicher Seite, gegen das Kabinett Salandro 
der Vorwurf erhoben wird, ohne genügende Vorbereitung in den Krieg 
eingetreten zu sein und es nicht verstanden zu haben, bei dem Beitritt zum 
Londoner Abkommen die wirtschaftlichen Interessen Italiens gebuhrend 
zu wahren. 
Erst am 10. März greift die Regierung in die Erörterung über #die 
Verpflegungsnot ein. Ueber den U. Bootkrieg führt Marineminiser 
Corsi aus: Die gegenwärtige Kriegsphase wird gekennzeichnet durch die 
Anstrengung der seindlichen C. Boote, Eugland, Rußland, Frankreich und 
Italien zu blockieren. Dies läuft auf eine Bedrohung der Handelsflonen 
fast der ganzen Welt hinaus. Das Neuartige des Vorgehens, die betröcht- 
lichen Schäden, welche bereits erwachsen sind und erst recht erwachsen könnten, 
sowie die Einwirkung auf den gesamten Kriegsverlauf rechtfertigen das 
allgemeine Interesse an der neuen Seekriegsform und die Unruhe in allen 
Ländern. Das Ministerium hat indessen viele Maßnahmen zum Schure 
des italienischen Seeverkehres ergrifssen und erwägt in enger Fühlung mit: 
den Verbündeten weitere Maßnahmen. Zur Verleidigung der Küsten und 
der Territorialgewässer sind Zufluchtspunkte, ein zweckmäßiger Wacht- und 
Verteidigungsdienst eingerichtet. Die U.Boote, welche nahe der Rüste ge- 
meldet werden, sollen verjagt werden. Die Verwendung von Netzen er- 
folgt, insoweit es die große Tiefe der italienischen Meere erlaubt, was i 
viel geringerem Umfange als in der Nordsee und im Aermelkanal der Nall 
ist. Im Otrantokanal leisten etwa 200 kleine Einheiten seit Monaten un- 
unterbrochen Dienst und haben einen befriedigenden Erfolg, wie die ganz 
kleine Angahl der Unfälle trotz regsten Seeverkehres beweist. Die wirk- 
samste Maßnahme zur Verteidigung auf hoher Sce besteht in der Bewaff- 
nung der Handelsschiffe und in der Verstärkung ihrer funkentelegraphischen
	        
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