530 Italien. (November 23. — Dezember 12.)
handeln. Wir können sicher auf die Tapferkeit unserer Soldaten rechnen,
und alle Bürger müssen zu allen Opfern bereit sein. Die Vertreter der
Nation müssen das Beispiel dafür geben. Unsere treuen und tapferen Ver-
bündeten, die an unserer Seite kämpfen werden, müssen Italien in männ-
licher Weise aufrecht und seiner Geschichte würdig finden. Die Regicrung
hat allein vollständige Kenntnis von der militärischen und der diplo-
matischen Lage. Ihr allein gebührt es, den Weg zu zeigen, und die Nation
wird ihr folgen. Aber der Augenblick gestattet keine Verzögerung. nech
halbe Maßregeln. Die Regierung und jeder Minister müssen an die
schreckliche, auf ihnen ruhende Verantwortung denken. Die Zukunft Italiens
hängt für einen langen Zeitraum seiner Geschichte von ihren Ent#chtüfien
und ihren Handlungen ab. Die bewunderungswürdige Ruhe und des
bewunderungswürdige Vertrauen des Landes sind für die Regicrung eire
große Kraft. Sie muß es verstehen, sie zu benutzen.
Der frühere Ministerpräsident Salandra führt aus: Alle Italiener
sind jezt Waffenbrüder vor dem gemeinsamen Feinde. Wir alle müßen
treue und gehorsame Soldaten der Regierung sein, die uns alle als Kämnpfer
ansehen muß. — Nach einer Rede des ehem. Ministers Luzzatti erklän Adg.
Prampolini, im Namen der Sozialisten, der Sozialismus enthalte im
Rahmen seiner Lehren alle ideellen und materiellen Beweggründe für die
territoriale Unabhängigkeit. Er weist die Anschuldigungen zurück, die der
sozialistischen Propaganda die Verantwortung für die letzten militäriscken
Ereignisse zuschieben. Der Sozialismus sei keine Lehre der Feigheit, und
wenn man jenseits der Fronten auf die Haltung der ital. Sozialisten rechne,
so möge man wissen, daß sie als Kameraden von Liebknecht und Adler gegen
jede Politik der Beeinträchtigung und Grausamkeit seien. Schließlich nimmr
die Kammer durch Zuruf die von Boselli vorgeschlagene Tagesordnung an.
Am 15. gibt Ministerpräsident Orlando im Senat eine ähnliche
Erklärung ab, worauf dieser ebenfalls durch Annahme einer Tagesordnurg
seinem Vertrauen auf das Heer und die Verbündeten Ausdruck gibt.
WB. Nov. Fall Cavallini.
Die „Ag. Stefani“ meldet aus Rom: Der frühere ital. Abg. C avallini
ist dieser Tage hier verhaftet worden. (C. wird beschuldigt, in die Bolo-
Pascha-Angelegenheit (s. S. 446 f.) verwickelt zu sein; s. auch S. 480.)
29. Nov. Ententekonferenz in Paris. (S. S. 497.)
10. Dez. Staatliche Versicherung der Soldaten.
Ein Regierungserlaß ermächtigt das ital. Nationalversicherungsinstitut,
das nach der Verstaatlichung der Versicherungsgesellschaften gegründet
wurde, an Soldaten Versicherungspolicen auszugeben, die von jeder Prämien-
zahlung befreit sind. Zur Durchführung dieser Maßnahme wird eine „Ope#t
nazionale“ errichtet. Die Kosten fallen der Staatskasse zur Last.
12. Dez. (Kammer.) Orlando über die Lage.
In der Kammer, die an diesem Tage wieder zusammentritt, verliest
Ministerpräsident Orlando eine ministerielle Erklärung, in der er u. a.
sagt: Unsere militärische Lage, die ich in der Sitzung vom 14. Nov. in ihrem
ganzen Ernste besprochen habe, hat sich im Dez. bedeutend gebessert. Wenn
sie trotzdem noch ernst bleibt, so zeigt uns ein Vergleich, welch schwierige
Periode wir hinter uns haben. Wir wollen hier in keine militärischen
Einzelheiten eintreten, doch darf man ruhig sagen, daß die Tatsache, daß
wir die Piavelinie unter so ungünstigen Umständen gehalten haben, einen
nicht zu berechnenden militärischen und moralischen Wert hat. Hierauf