2 NBie äfterreitzisczungarische Menarchie. (Januar 1.)
stärker als der Schmerz ist der Dank für die göttliche Borsehung, daß sie
ihn uns gegeben und so lange Zeit hindurch erhalten hatte, sowie der Dank
für die göttliche Vorsehung auch dafür, daß sich mit dem Schmerz über seinen
Verlust nicht peinigende Sorge über die Zukunft paaren muß. Ich kann Zeugen-
schaft dafür ablegen, daß seine letzten Jahre von dem Bewußtsein vergoldet
wurden, daß er mit vollem Vertrauen auf seinen Nachfolger blicken kann.
Auf die verschiedenen in den leitenden Stellungen der Mon-
archie eingetretenen Veränderungen eingehend, sagt der Minister-
präsident: Euer Redner hat sehr richtig konstatiert, daß die in der Person
des Ministers des Aeußern eingetretene Aenderung nicht einen Systemwechiel
bedeutet. Hiermit hat er eigentlich auch alles gesagt, was über diese Frage
vor die Oeffentlichkeit gehört. Auf das Nichtvorhandensein eines System-
wechsels weist auch der Umstand hin, daß es gelungen ist, den bedeutenden
Staatsmann, der in schweren Zeiten erfolgreich die auswärtigen Angelegen-
heiten der Monarchie leitete, in einer verantworlichen Stellung zu erhalten,
wo er seine wertvollen persönlichen Eigenschaften zum Wohl unseres Vater,
landes und Oesterreichs zur Geltung bringen kann, und zwar direkt auch
auf dem Gebiete der Erörterung und Beschlußfassung über auswärtige
Fragen. Was aber seinen Nachfolger betrifft, so will ich nicht von einer
solchen für mich sehr angenehmen persönlichen Seite der Sache sprechen,
die schließlich vom Gesichtspunkte der öffentlichen Angelegenheiten nicht maß-
gebend sein kann. Aber ich kann auf die Erklärungen des neuen Herrr
Ministers des Aeußern verweisen, die sowohl in der Beziehung, daß sich
die Richtung der auswärtigen Politik nicht ändert, als auch in der Be-
ziehung, daß er ein unbedingter Anhänger des Dualismus und der Paritä:
ist und daß ihm nichts ferner liegt als eine Einmischung in die politischen
Angelegenheiten Ungarns zu versuchen, eine jeden Zweifel ausschließende
Klarheit bieten. Was aber die in Oesterreich eingetretene Regierunge.
bildung betrifft, so gestattet, daß ich entgegen meiner Gewohnheit mich selbff
zitiere. bevor ich über diese Frage spreche, und an die kurzen Worte er.
innere, die ich an eben dieser Stelle vor einem Jahre gesprochen habe. Ich
tue dies deshalb, weil ich es für notwendig halte, daß nicht nur hier in
unserem Freundeskreise, sondern überall, wo man vielleicht meine Worte
der Aufmerksamkeit würdigt, unzweifelhaft erwiesen werde, daß das, was
ich jetzt sage, nicht der Ausfluß von momentanen Eindrücken oder des von
der momentanen Lage verursachten Zwanges, sondern meine alte, mit meiner
ganzen Individualität verschmolzene Ueberzeugung ist. Schon vor zwei
Jahren verwies ich auf die Lehren des Krieges sowie darauf, wie ver-
hängnisvoll, töricht und unsinnig es wäre, den alten zentralistischen Geist
wieder zu erwecken. Dies betonte ich mit vollem Nachdruck auch vor einem
Jahre, und ich fügte hinzu (der Ministerpräsident liest): „Dreieinhalb Jahr.
hunderte laborierte diese Monarchie an dem schweren Problem, wie es die
ganze Kraft der ung. Nation in den Dienst ihrer Großmachtziele einfügen
könne. Alle Herrscher und Staatsmänner, welche sich um die Entwicklung
der Kraft des österr. Kaiserreiches bemühten, stießen an dieses Problem.
Es brachte die schweren Prüfungen und Leiden von dreieinhalb Jahr-
hunderten auf uns alle, weil die Lösung niemals auf dem richtigen Wege
gesucht wurde. Man wollte diese Nation der Macht eines auf den Trümmern
unserer nationalen Unabhängigkeit und unserer staatlichen Existenz auf-
zubauenden großen Gesamtreiches unterwerfen, welche niemals, so lange
ein Ungar leben wird, sich in eine solche höhere staatliche Gemeinschaft
hineinzwängen lassen wird, und man sah nicht, daß die Kraft, welche die
großen körperlichen und seelischen Eigenschaften der ung. Nation repräsen-
tieren, in dem Augenblicke zur Verfügung stehe, wo man sie nicht durch