Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

Korwegen. (Oktober 29. November 1.) 639 
Von den sofort in Krast tretenden Bestimmungen sind Reis und Kartoffel- 
mehl ausgenommen. 
29. Okt. (Storthing.) Wiederbeginn der Tagung. 
Das Haus beschließt mit 77 gegen 30 Stimmen das seit 103 Jahren 
bestehende Gesetz, das den König berechtigt, mit Einwilligung des Storthings 
einen Angriffskrieg zu beginnen, dahin abzuändern, daß Norwegens Heer 
und Flotte nicht zum Angriff, sondern nur zur Verteidigung benutzt werden 
dürfen. Dadurch ist dem König das Recht genommen, Krieg zu erklären. 
1. Nov. (Storthing.) Der Minister des Außern zur Lage. 
Der Minister des Aeußern Ihlen führt über die internationale Lage 
und die wirtschaftliche Lage Norwegens u. a. aus: Norwegen hat bisher 
bekommen, was es nötig hatte, aber in letzter Zeit haben sich die Ver- 
hältnisse bedeutend verändert. Der verschärfte Tauchbootkrieg hat uns einen 
großen Teil unserer Handelsflotte gekostet und unseren Verbindungen mit 
Westeuropa die größten Hindernisse in den Weg gelegt. Wir konnten diese 
Verbindungen nicht abbrechen, da sie eine Lebensbedingung für uns sind, 
und mußten deshalb unser Leben aufs Spiel setzen. Wir können britische 
Kohle für unsere Industrie, unsere Schiffahrt und unser tägliches Leben 
nicht entbehren ebensowenig den englischen Markt für unsere Ausfuhr. Mit 
Hilfe unserer Seeleute muß und soll die Verbindung aufrecht erhalten 
werden, aber die gewaltigen Schiffsverluste seit Februar haben dazu bei- 
getragen, die Schwierigkeiten zu erhöhen. Wertvolle Ladungen wurden 
versenkt und die Kriegsversicherung hat die Waren, die wir erhalten, in 
beunruhigendem Grade verteuert. Noch schwieriger ist unsere Stellung 
nach Amerikas Eintreten in den Krieg geworden. Wir können die Augen 
nicht dem verschließen, daß die Ver. Staaten die Ausfuhr einschränken 
wollen, da man selbstverständlich daran interessiert ist, zuerst für seine eigenen 
und seiner Alliierten Bedürfnisse zu sorgen. Auf der anderen Seite sind 
wir berechtigt, davon auszugehen, daß Norwegens schwierige Stellung Ver- 
ständnis finden muß. Die großen Dienste, die unsere Schiffahrt während 
des Weltkriegs dem Welthandel trotz enormer Gefahren und Verluste ge- 
leistet hat, wiegen schwer zu unserem Vorteil, und der Umstand, daß unsere 
Handelsleute loyal alle Verpflichtungen einhielten, gibt eine gute Grund- 
lage dafür, daß man ihnen andauernd Vertrauen erweist. Bereits im 
April begannen telegraphische Mitteilungen des Gesandten in Washington 
einzulaufen über die Folgen, die Amerikas Eintreten in den Krieg für 
Norwegen haben würde. Aus den Telegrammen erhielt man jedoch den 
Eindruck, daß Amerika Norwegen alle mögliche Rücksicht erweisen wolle. 
In diesem Zeitpunkt beschloß man, eine Kommission nach Amerika zu 
schicken. Sie verhandelte ständig und hat ebenso wie die Regierung eine 
große Arbeit vollführt. Der Minister kommt dann auf das amerik. 
Memorandum an Norwegen zu sprechen. Der norw. Gesandte in 
Washington habe am 5. Aug. telegraphiert, er habe unter der Hand vom 
amerik. Lebensmitteladministrator ein Memorandum über das Verhältnis 
von Amerika zu Norwegen erhalten mit dem Bemerken, daß die anderen 
neutralen Länder ein ähnliches Schriftstück erhalten hätten. Der Gesandte 
habe dieses etwas unbestimmte Memorandum dem außerordentlichen Ge- 
sandten Fridtjof Nansen übergeben. Ein Zirkularmemorandum bestehe 
nicht. Der Minister erklärt, daß das Memorandum unwichtig sei, da sonst 
eine telegraphische Inhaltsangabe üblich gewesen wäre, und bespricht darauf 
den Inhalt des Schriftstückes. Dieses erfordere eingeende Aufschlüsse über 
die Erzeugung und den Verbrauch der Bedürfnisse Norwegens und hebe
	        
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