Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

682 Kuland. (April 16.—20.) 
des jebigen Beamtentums. Alle Beamten müssen aus Wahlen hervor- 
gehen und zu beliebiger Zeit absetztor sein. Ihre Besoldung darf den 
Horchschnittckohn eines guten Arbeiters nicht übersteigen. 
Ueber alsbald zutage tretende Meinungsverschiedenheiten zwischen 
Lenin und Zeretelli im A.-- u. S. Rat berichtet die „Frkf. Ztg.“ auf 
Grund von Meldungen Petersb. Blätter folgendes: Lenin forderte den 
Sturz der Bourgeoisregierung und verlongte, daß Rußland seine Alliierten 
und seine Feinde vor die Wahl stelle, entweder einen Frieden ohne 
Annexionen zu schließen oder den Kampf gegen die russ. Demokratie auf- 
zunehmen. L. forderte ferner, daß alle internationalen Vertröge veröffent- 
licht und für ungültig erklärt würden. Nach dem Sturze der Regierung, 
meinte er, sei eine internationale Revolution wahrscheinlich. Z. erwiderte 
darouf, das Proletariat könne die Regierung nicht selber übernehmen: eine 
Diktatur des Proletariats würde endlosen Widerspruch erwecken. Daher 
müsse zunächst die bürgerliche Regierung bestehen bleiben. Die Mehrheit 
des Urbeiterrates billigte die Ansichten Zeretellis. 
16. April. Rechtsgleichheit für alle Nationalitäten und Kulte. 
Die Prov. Regierung beschließt mit sofortiger Wirkung die Abschaffung 
aller. Gesetze, Verordnungen und Sonderbestimmungen, durch die einzelne 
Nationalitäten und Glaubensbekenntnisse benachteiligt werden. Der Erlaß 
ählt im einzelnen die jetzt wegfallenden Beschränkungen auf. Sie beziehen 
ch auf Recht der Niederlassung und der Reise (Juden und Armenier, kath. 
Geistliche), Grunderwerb und Erwerb von Pfandrechten, Ausübung von 
Handwerken oder von Handetsgeschäften, Teilnahme an Aktiengesellschaften 
u. dgl., Einstellung von Dienstboten und Handelsgehilfen, Berechtigung zum 
Staatsdienst und zum Dienst in Semstwo= und anderen öffentlichen Ver- 
waltungen, Ausübung des Lehramts, Benutzung der staatlichen Lehranstalten 
und Genuß von Stipendien, Berechtigung zum Amt eines Vormundes und 
zur Ausübung des Rechtsanwaltberufes, Anwendung nichtruss. Sprachen 
und Dialekte im privaten Geschäftsverkehr und in der Buchführung und 
beim Unterricht in privaten Lehranstalten. Die Vorrechte des orthodoxen 
Klerus für die Ableistung des Militärdienstes werden auf die Geistlichen 
anderer Bekenntnisse ausgedehnt, alle Sondervorschriften für die Rekru- 
tierung nichtchristlicher Mannschaften ausgehoben. Die nichtorthodoxen 
Bauern erhalten für die Ansiedlung dieselben Rechte wie die orthodoxen. 
17. April. (Petersburg.) Einführung des achtst. Arbeitstages. 
„Politiken“ gibt folgende Stockholmer Meldung aus Petersburg: 
Zwischen dem A.= u. S.-Rat und der Petersb. Fabrikantenvereinigung wurde 
ein Abkommen getroffen betr. Einführung des achtst. Arbeitstages und eines 
Schiedsgerichts für Arbeitsstreitigkeiten. 
19. April. Eröffnung der Zeichnung auf die „Freiheitsanleihe“. 
Die Höhe der Anleihe ist unbegrenzt. Der Kurs beträgt 85 Proz., 
der Zinsfuß 5 Proz., die Tilgungsfrist 49 Jahre. Die Anleihe wird völlig 
steuerfrei sein. Das Endergebnis ist nicht bekannt geworden. 
20. April. (Ukraine.) Ukr. Nationalkongreß in Kiew. 
Es wird folgende Entschließung angenommen: Gemäß den histo- 
rischen Traditionen stellt der Kongreß sest, daß nur eine nationale terri- 
toriale Autonomie die Rechte des ukr. Volkes sichert. Die Autonomie ist 
hinreichend harantiert durch die Bildung eines rusff. erepubl. Staatenverbandes. 
Nach einer Meldung des Ukr. Pressebureaus in der Schweiz beschloß der 
 
	        
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