Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

758 RNuhland. (November 8.) 
Friedensarbeit teilnehmen können Es lebe der sofortige Wafsfenstillstand! 
Kein Schuß falle mehr! Zu den Friedensverhandlungen! Rückt auf zum 
Kampfe um den Frieden ohne Annexionen und Kontributionen, vom freien 
Willen der Völker geschlossen! Hoch die internat. Solidarität des Proletariats! 
Es lebe der Sozialismus! Internat. Sozialistische Kommission (Zimmer- 
wald). Die ausländische Vertretung des Zentralkomitees der Bolschewili. 
Am 11. erläßt die ausländ. Vertretung der Maximoalisten folgende 
weitere Kundgebung, die sich insbesondere an dos deutsche Prole- 
tariat richtet: An der Spitze der russischen Republik steht eine Arbeiter- 
und Bauernregierung. Die rücksichtsloseste Proletarierpartei Europas gibt 
in Petrograd den Ausschlag. Sie hat im Namen der Massen, die sie auis 
Schild gehoben haben, den Friedensschluß anf die Tagesordnung gestellt. 
Nicht Friedensliebebeteuerung, nicht Friedensprogramme zur Diskussion, 
sondern den Frieden. Versteht ihr das, Proletarier Europas, die ihr von 
anstrengender Arbeit nicht mehr den Rücken gradhalten könnt? Versteht 
ihr das, Frauen, deren Väter und Söhne verbluten? Bersteht ihr es, ihr 
Soldaten, denen der Tod schon das vierte Jahr in die Augen blickh? 
Versteht ihr das: 1. es steht an der Spitze eines großen Reiches keine 
Regierung der Kapitalisten, der Reichen, sondern eine der Arbeiter, 2. sie 
will den Krieg keinen Tag länger fortsetzen, sie will euch morgen von der 
Pflicht des Mordens und Sterbens befreien. Bedenkt es gut, nicht eine 
kleine Partei, eine schwärmerische Sekte, sondern die Regierung der rusf. 
Arbeiter und armen Bauern! Und nun, was wird geschehen, was kann 
geschehen? Die Regierungen des franz., engl., ital. Kapitals werden sich 
weigern, sich an den Verhandlungstisch zu setzen, sie werden weiter ener 
Blut verspritzen und euren Schweiß fließen lassen, wegen der „Freiheit" 
und „Demokratie“, die die russ. Arbeiterregierung nicht verteidigt. Und 
was will die deutsche Regierung tun? Sie wird sich wohl an den Ver- 
handlungstisch mit der russ. setzen, weil es ihr sehr gut paßt, über hundert 
Divisionen von der Ostfront nach der Westfront zu werfen, um dort den 
Widerstand der engl. und franz. Heere zu brechen. Nun die russ. Prole- 
larier könnten allein die franz., ital, engl. nicht retten von all den Folgen 
dieses Angriffs, weil sie selbst verbluten. Nur die franz., ital., engl. Prole- 
tarier können es tun, wenn sie jeden als Landesfeind erklären, der sich nicht 
an den Verhandlungstisch setzt, wenn sie ihn als Landesfeind behandeln. 
Tun sie es nicht, so liefern sie die russ. Arbeiterregierung den Erpressungs- 
versuchen des deutschen Imperialismus aus. Kurz vor dem Sieg der 
Arbeiterrevolution führte die deutsche Regierung mit der österr. Verhand- 
lungen (s. Tl. 1 S. 960) über die Bildung eines poln. Königreichs unter 
dem Zepter des österr. Kaisers und eines Litauisch-Kurländischen Herzog- 
tums unter der Herrschaft des preuß. Königs. Wenn das geschieht, wird 
die russ. Regierung vor die Frage gestellt, entweder auf den Befehl von 
Berlin in die Knie zu sinken, oder den Krieg weiterzuführen. Die russ. 
Revolution streckt ihre Hand nach fremdem Gut nicht aus, umgekehrt, sie 
gibt allen Völkern, die von dem Zarismus unterjocht wurden, die voll- 
kommene Freiheit zu entscheiden ob sie durch freien Beschluß zusammen 
mit dem russ. Volke leben, oder sich von ihm trennen wollen. Aber sie 
wird niemals ihre Zustimmung dazu geben, daß ohne Befragung dieser 
Völker, ohne daß ihre Stimme angehört wird, sie brachio militari der 
Herrschaft unterworfen werden. Sie ist für die Interessen dieser Völker, 
wie der russ. vor ihnen verantwortlich. Wird Deutschland die kurländ., 
litauisch. und poln. Frage als gelöst vor den Friedensverhandlungen er- 
klären, wird es versuchen, die russ. Revolution vor ein fait accompli zu 
stellen, so wird sie die eigenen Völker vor ein fait accompli stellen: die
	        
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