Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

Kußland. (November 11. 12.) 761 
der Sache des Fortschritts und des Sozialismus die größten Dienste ge- 
leistet: durch das große Beispiel der Chartabewegung in England, durch 
eine Reihe von Revolutionen von welthistorischer Bedeutung, die vom 
franz. Proletariat hervorgerufen worden sind, und endlich durch heroischen 
Kampf gegen die Ausnahmegesetze in Deutschland und die für die Arbeiter 
der gesamten Welt musterhafte, langwierige, beharrliche und disziplinierte 
Arbeit bei der Schaffung der proletarischen Massenorganisationen in Deutsch- 
land. Alle diese Beispiele sind eine Bürgschaft dafür, daß die Arbeiter 
dieser Länder die auf ihnen ruhenden Aufgaben zur Befreiung der Mensch- 
heit von den Schrecken des Krieges und seinen Folgen vollauf begreifen 
werden, und daß diese Arbeiter durch ihre tatkräftige selbstlose Energie uns 
helfen werden, das Friedenswerk zu vollenden und alle Arbeiterklassen von 
Ausbeutung zu befreien. 
Dieses Manifest wird von dem Kongreß der A.= u. S.-Räte in seiner 
zweiten Sitzung (in der Nacht vom 8. auf 9. Nov.) angenommen. Zur 
Erläuterung führt Lenin aus: Wir wenden uns ebenso die Regie- 
rungen wie an die Völker. Beschränkung auf die Völker könnte die Kriegs- 
dauer verlängern. Während der Waffenruhe besprochene Bedingungen sollen 
der Konstituante vorgelegt werden. Wir verhehlen uns nicht den Wider- 
stand der imperialistischen Regierungen, wir hoffen aber auf die in allen 
Ländern nahende Revolution, deshalb wenden wir uns mit besonderem 
Nachdruck an die Arbeiterklassen Englands, Frankreichs und Deutschlands. 
Auf Einwendung eines Delegierten, daß ein Widerspruch darin liege, daß 
die Kundgebung bestimmt Bedingungen proklamiere und gleichzeitig die 
Bereitschaft ausspreche, auch andere Vorschläge zu diskutieren, erwidert L.: 
Es ist möglich, daß die Regierungen uns nicht antworten, aber alle sollen 
wissen, daß wir kein Ultimatum stellen, welches die Abweisung des Vor- 
schlags erleichtern würde; wir sind bereit, jeden Gegenvorschlag zu erwägen, 
aber das heißt nicht, ihn annehmen; es gibt Vorschläge, welche den Kampf 
bis ans Ende notwendig machen, es gibt aber auch solche, derentwegen 
wir vielleicht den Krieg nicht werden führen wollen. Wir tun alles, um 
den Frieden zu beschleunigen, und alles, um die Friedensbedingungen aller 
Kriegführenden zu erfahren. Wir sind bereit, alle diese Bedingungen zu 
erwägen. Zu den anderen Punkten der Kundgebung übergehend weist L. 
darauf hin, daß der Punkt, der sich auf die Aufhebung der Geheimverträge 
bezieht, nur diejenigen Verträge im Auge hat, welche Annexionen und 
Kontributionen bezwecken, nicht aber die Handelsverträge; die letzteren 
bleiben in Kraft. L. kommt dann auf den Waffenstillstand zurück. Er unter- 
streicht, daß der Waffenstillstand allen Völkern vorgeschlagen wird. Die 
Frist sei so lange bemessen, damit den Volksvertretern in allen Ländern 
die Möglichkeit gegeben sei, die Friedensbedingungen auszuarbeiten. Sollte 
seitens der kriegführenden Länder ein Vorschlag auf kürzere Waffenstill- 
standsfrist gemacht werden, so muß die zukünftige Regierung auch diesen 
Vorschlag annehmen. 
11. Nov. Einführung des achtstündigen Arbeitstages. 
Ein Erlaß der Prov. Regierung der Arbeiter und Bauern ordnet die 
Flesliche Einführung des achtstündigen Arbeitstages an und trifft eingehende 
erfügungen zum Schutze der Arbeiter gegen die Ausbeutung seitens der 
Arbeitgeber. 
12. Nov. Niederlage Kerenskis bei Zarskoje Selo. 
Nach dem Sturz der Prov. Regierung hat sich Ministerpräsident 
Kerenski, angeblich mit Kornilow und Alexejew, ins Hauptquartier be- 
geben, um regierungstreue Truppen zur Niederwerfung des maximalistischen
	        
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