Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

Kußland. (November 20.) 765 
dem Laufenden zu erhalten, zweitens ein Waffenstillstandsübereinkommen 
erst dann zu schließen, nachdem die Zustimmung des Rates der Volkskom- 
missare eingelangt sein wird. Der Präsident des Rates der Volkskommissare: 
Uljanow-Lenin. Der Kommissar für Ausw. Angelegenheiten: Trotzki. Der 
Kriegskommissar: Krylenko. Gez. der Sekretär: Gubunow. 
General Duchonin läßt diesen Auftrag zunächst unbeantwortet. Als 
Lenin im Auftrage des Rates der Volkskommissare am 21. abends Auf- 
klärungen verlangt, antwortet er ausweichend. Darauf wird ihm befohlen, 
die Berhandlungen wegen eines Waffenstillstandes unverzüglich aufzunehmen. 
Als er sich kategorisch weigert, sich diesem Auftrag zu unterziehen, erklärt 
der Rat der Volkskommissare ihn seines Postens enthoben und ernennt den 
Offizierstellvertreter N. Krylenko zum Armeeoberkommandanten. 
Gleichzeitig (23.) weist der Rat die verschiedenen Frontheere an, selbst 
auf der ganzen Front Waffenstillstandsverhandlungen einzuleiten. 
General Duchonin leistet dem Absetzungsbefehl keine Folge. Er richtet 
einen Aufruf an das Heer, worin er auseinandersetzt, warum er dem Be- 
fehl Lenins, Unterhandlungen wegen eines Waffenstillstands zu beginnen, 
nicht gehorcht habe. Er erklärt, über einen Waffenstillstand könne nur eine 
esetzmäßig gebildete und vom Volke anerkannte Regierung verhandeln, und 
zt hinzu, er werde nicht eher seinen Posten verlassen, als bis das Heer 
selbst es ausspreche, daß es sich dem neuen Generalissimus unterwerfen 
wolle. (S. auch S. 768 f., 772 f.) 
20. Nov. (Ukraine.) Ausrufung der Republik. 
Die Zentralrada erläßt folgendes Universal: Ukrainisches Bolk und 
alle Völker Ukrainas! Eine schwere mühsame Zeit durchlebt die russische 
Republik. Im Norden, in den Hauptstädten geht ein blutiger Bruderkampf 
vor sich, die zentrale Staatsgewalt existiert nicht, im ganzen Reiche wächst 
der Zustand der Regierungslosigkeit, der Anarchie, des Zerfalles. Unser 
Landesteil ist ebenfalls in Gefahr. Ohne eine starke einheitliche und volks- 
tümliche Staatsgewalt wird Ukraina in den Abgrund des blutigen Bürger- 
krieges und eines vollen Verfalls hineingezogen werden. Ukrainisches Volk! 
Du hast zusammen mit den Brudervölkern Ukrainas uns eingesetzt, um das 
Recht, das durch den Kampf errungen ist, zu pflegen, Ordnung zu schaffen 
und eine bessere Zukunft auf unserem Lande aufzubauen. Wir, die ukrai- 
nische Zentralrada, verkünden in Erfüllung Deines Willens, im Namen 
der Herstellung der Ordnung in unserem Landesteil, im Namen der Ret- 
tung von ganz Rußland, daß von nun an Ukraina eine ukrainische Re- 
publik sein wird, ohne sich von der russischen Republik abzusondern. Die 
Verbindung mit ihr bewahrend, werden wir uns fest auf unser Land stellen, 
um durch unsere Kraft Hilfe für ganz Rußland zu bringen, damit die 
russische Republik eine Vereinigung verschiedener freier Völker werde. 
Bis zur Einberufung der ukrainischen Konstituierenden Versammlung ge- 
hört die Macht, Ordnung auf unserem Lande zu schaffen, Gesetze heraus- 
zugeben und zu regieren, uns, der ukrainischen Zentralrada, und unserer 
Regierung, dem Generalsekretariat. Im Bewußtsein der Kraft und der 
eigenen Macht auf dem heimatlichen Boden werden wir auf der Wacht des 
Rechts und der Revolution nicht nur bei uns stehen, sondern auch in ganz 
Rußland, und wir verkünden deshalb, daß zum Territorium der ukrai- 
nischen Republik die Länder gehören, die in der Mehrheit von Ukrainern 
bevölkert sind: Kiew, Podolien, Wolhynien, Tschernigow, Poltawa, Char- 
kow, Jekaterinoslaw, Cherson und Taurien ohne die Krim. Die endgültige 
Feststellung der Grenzen der ukrainischen Republik sowohl in bezug auf 
Angliederung der überwiegend von Ukrainern bevölkerten Teile von Kursk,
	        
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