Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

768 Kußland. (November 26.) 
„Bürger der Russ. Republik“ festgesetzt. Die Güter der adeligen Körper- 
schaften gehen unverzüglich in die Hände der entsprechenden Provinzbehörden, 
die Güter der kaufmännischen und bürgerlichen Korporationen gehen un- 
verzüglich in die Verwaltung der entsprechenden Gemeindebehörden über. 
26. Nov. Einleitung der Waffenstillstandsverhandlungen. 
Der Oberkommandierende N. Krylenko meldet darüber in folgendem 
Telegramme: Heute um 11 Uhr sind vom Höchstkommandierenden drei 
Parlamentäre: der Leutnant des 9. Kiewschen Kürassier-Regiments Wladimir 
Schneeuhr und die Mitglieder des Armeekomitees der 5. Armee, der Militär- 
arzt Michail Ssagalowitsch und der Freiwillige Georg Mehren mit fol- 
genden Vollmachten zum Feinde gesandt worden: sich an den obersten 
Chef der deutschen Armee in dem Abschnitt, an dem die Parlamentäre 
empfangen werden, mit der Bitte zu wenden, die oberste Kommandogewalt 
zu befragen, ob sie ihre Bevollmächtigten zu senden bereit sei, um soforrige 
Verhandlungen über einen Waffenstillstand an allen Fronten der kämpfenden 
Länder herbeizuführen, mit dem Ziel, alsdann Friedensverhandlungen zu 
beginnen. Im Falle einer zustimmenden Antwort von seiten der obersten 
deutschen Heeresleitung ist den Parlamentären aufgetragen worden, den 
Platz und die Zeit für die Begegnung der beiderseitigen Bevollmächtigten 
t besprechen. Der Kommissar für die Kriegs- und Marineangelegenheiten: 
berkommandierender N. Krylenko. 
Nachdem die Parlamentäre mit der zustimmenden Antwort des deutschen 
öchstkommandierenden am 27. wieder in den russischen Linien eingetroffen 
sind, erläßt N. Krylenko folgenden Befehl an Armee und Flotte: Unsere 
Parlamentäre kehrten zurück und brachten die offizielle Zustimmung des 
deutschen Oberkommandierenden, Waffenstillstandsverhandlungen an allen 
Fronten zu führen. Die nächste Begegnung ist auf den 2. Dez. festgesetzt. 
Jeden, der diesen Befehl verheimlichen oder ihm entgegentreten wird, 
übergebe ich dem Revolutionsgericht des lokalen Regimentskomitees, mit 
Umgehung der gewöhnlichen Formalität. Ich befehle, den Schußwechsel und 
die Berbrüderung auf der ganzen Front einzustellen. Es ist eine besonders 
verstärkte Wachsamkeit in bezug auf den Gegner erforderlich. Kampfhand- 
lungen sind nur als Gegenmaßregeln auf Kampfhandlungen des Gegners 
zu unternehmen. Alle haben auf ihren Plätzen zu verbleiben. Bloß der 
Starke erreicht sein Ziel! Es lebe der baldige Frieden! 
Trotzki teilt daraufhin den Vertretern der Alliierten mit, daß Deutsch- 
land bereit sei, auf allen Fronten über einen demokratischen Frieden zu 
verhandeln und fragt sie, ob sie an den Verhandlungen, die am 2. Dez. 
beginnen, teilzunehmen wünschen. — Eine Antwort erfolgt nicht. 
Näheres über die Waffenstillstandsverhandlungen s. in dem 
besonderen Abschnitt am Schluß des Kalendariums. 
26. Nov. Die Alliierten und das Waffenstillstandsangebot. 
Das „k. k. Tel.-Korr.-Bur.“ meldet: General Duchonin hat an die 
russischen Armeen eine Nachricht hinausgegeben, wonach die Vertreter der 
Ententestaaten beim russischen Oberkommando gegen jede Verletzung des 
Vertrages protestieren, welcher zwischen der Regierung des Zaren und den 
Regierungen der Verbündeten am 5. Sept. 1914 geschlossen worden ist. 
Anknüpfend hieran drohen die Vertreter der Ententestaaten, daß jede Ver- 
tragsverletzung durch Rußland, insbesondere ein separater Waffenstillstand 
schwere Folgen nach sich ziehen werde. In einer weiteren Mitteilung er- 
öffnet das russische Oberkommando den ihm unterstellten russischen Kom- 
mandanten, die amerik. Regierung habe erklärt, sie könne keine weiteren 
Transporte nach Rußland zulassen, solange die Lage dieses Landes nicht
	        
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