Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

Rusland. (Dezember 7. B.) 775 
sind auf Anregung unserer Abgeordneten auf eine Woche ausgesetzt worden, 
um dadurch Zeit zu schaffen, die Völker und die Regierungen der Ver- 
bündeten von der Tatsache zu unterrichten, daß Verhandlungen stattfinden. 
Auf unsere Frage nach den Kriegszielen gaben die feindlichen Abgeordneten 
keine bestimmte Antwort, sondern erklärten, ihre Aufgabe sei nur, die kriege- 
rische Seite des Waffenstillstandes zu ordnen. Die feindlichen Abgeordneten 
erklärten, sie hätten keine Vollmacht in bezug auf diese Fragen, da keine 
französischen und englischen Abgeordneten zur Stelle seien. Die feind- 
lichen Abgeordneten schlugen einen 28tägigen Waffenstillstand von der 
Ostsee bis zum Schwarzen Meer vor und erklärten, sie würden ihre Re- 
gierungen über die Frage eines allgemeinen Waffenstillstandes in Ueber- 
einstimmung mit der russischen Forderung unterrichten. Da sich die rus- 
sischen Abgeordneten weigerten, unter diesen Umständen das Abkommen 
über einen Waffenstillstand zu unterzeichnen, setzten wir die kriegerischen 
Handlungen für eine Woche aus und ebenso die Verhandlungen. Auf diese 
Art vergeht über ein Monat zwischen dem russ. Friedensvorschlag vom 8. Nov. 
und der Fortsetzung der Friedensverhandlungen am 12. Dez. Dieser Zeitraum 
ist groß genug, um den verbünd. Regierungen Gelegenheit zu geben, ihre 
Stellung zu den Friedensverhandlungen festzulegen, d. h. ja oder nein zu 
antworten, und wenn sie nein antworten, offen zu erklären, für welche Ziele 
die Bölker Europas vier Jahre hindurch ihr Blut vergießen sollen. 
7. Dez. NAenderung des Wahlgesetzes. 
Das „Bulletin der Prov. Regierung der Arbeiter und Bauern“ ver- 
öffentlicht einen Beschluß des Hauptvollzugsausschusses des Allrussischen 
Kongresses der Sowjets, wonach die örtlichen Sowjets das Recht erhalten, 
falls es die Mehrheit der Wähler fordert, Neuwahlen festzusetzen. Der 
Beschluß erstreckt sich auf alle durch Wahl zustande kommenden Einrich- 
tungen, auch auf die Verf. Versammlung. — Die bürgerliche Presse bespricht 
diesen Erlaß als Versuch der Maximalisten, sich auf jeden Fall die Mehr- 
heit in der Verf. Versammlung zu sichern. 
7. Dez. (Ukraine.) Gutheißung des Waffenstillstandes. 
„Rußk. Wjed.“ melden aus Kiew: Der Kriegssekretär Peltjura benach- 
richtigte alle Truppenkörper der rumänischen und Südwestfront, daß die 
ukrainische Rada den Waffenstillstand, um zu einem Friedensschluß zu ge- 
langen, gutgeheißen habe. 
7. Dez. (Finnland.) Der Landtag nimmt in zweiter Lesung 
einhellig das Gesetz über die Selbständigkeitserklärung der finn- 
ländischen Republik (s. S. 773 f.) an. 
Die neue finnländische Verfassung überträgt die höchste Macht an den 
Präsidenten der Republik, dem ein Staatsrat mit dem Staatsminister an 
der Spitze zur Seite steht. Die Wahl des Präsidenten der Republik erfolgt 
durch direkte Volkswahl für 6 Jahre. Die erste Wahl findet am 15. und 
16. Januar statt. Der Amtsantritt erfolgt am 15. April. Nur der erste 
Präsident wird das Amt gleich nach der Wahl antreten. 
7. Dez. (Krim.) Eröffnung der Verf. Versammlung der Krim 
in Bachtschissarai. 
Der Kongreß erklärt die Krim zu einem autonomen Khanat. 
8. Dez. Aufhebung der Rechtsinstitutionen. 
* berichtet aus Petersburg: Ein Dekret des Rates der Volks- 
kommissare setzt alle ordentlichen Gerichtshöfe sowie die Kriegsgerichte, die
	        
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