Bie Ssterreichisch-ausarische Monarchie. (Mai 18. 19.) 77
18.—19. Mai. (Wien.) Prozeß Friedrich Adler.
Nach zweitägiger Verhandlung verurteilt das Ausnahmegericht Dr.
Friedrich Adler (Sohn des Sozialistenführers Viktor A.), der am 21. Okt.
1916 den Ministerpräsidenten Grafen Stürgkh ermordet hat, wegen gemeinen
Mordes zum Tode.
In seiner Verteidigungsrede erklärt A. sich schuldig in gleichem
Maße wie jeder Offizier, der im Kriege getötet oder den Auftrag zur Tötung
gegeben hat. Eindringlich verwahrt er sich dagegen, die Tat in Unzu-
rechnungsfähigkeit begangen zu haben. Er habe die Tat durch 1⅛/ Jahre
nach allen Richtungen und Folgen überdacht und sie in dem vollen klaren
Bewußtsein vollbracht, daß sein Leben damit abgeschlossen sei. Schon der
Umstand, daß dieser Prozeß vor dem Ausnahmegericht stattfinde, sei für
ihn eine moralische Rechtfertigung. Gerade der Zustand der Justiz in
Oesterreich habe ihn seit Kriegsausbruch aufs empfindlichste gedrückt; schon
am 25. Juli 1914 habe das Ministerium Stürgkh-Hochenburger mit ciner
Verordnung über die Aufhebung der Schwurgerichte einen oßenen Staats-
streich begangen. Ferner habe Graf Stürgkh durch Abschaffung des Staats-
gerichtshofes sich seiner Anklagebehörde entzogen. Außerdem sei Graf Stürgkh
ein eifervoller Gegner des Parlaments gewesen. Noch am letzten Tage
seines Lebens habe er sich geweigert, sich in eine Erörterung über den Zu-
sammentritt des Reichsrates einzulassen. Deshalb habe er beschlossen den
Ministerpräsidenten auf jenem Boden zur Rechenschaft zu ziehen, auf den
er sich selbst gestellt habe. Es sei kein anderer Weg als der der Gewalt
geblieben. Er habe sich hierzu berechtigt gehalten, weil, wenn das Gesetz
zertreten sei, jeder Staatsbürger nicht nur das Recht, sondern die Pflicht
habe, sich sein Recht zu verschaffen auf Grund des Notstandes, den die
Regierung geschaffen habe. Weiter erklärt der Angekl., er habe durch seine
Tat der soz. Partei ihre feige Haltung vor Augen führen wollen, da sie
jede Bekämpfung der Ausnahmeverfügungen der Regierung unterlassen habe.
Auf die Frage des Präsidenten, ob es richtig sei, daß er den Gedanken
seines Anschlages schon 1½ Jahre erwogen habe, erklärt der Angekl. der
erste Gedanke eines Anschlages sei ihm im März 1915, als er zum Militär
einrückte, gekommen, nämlich der Gedanke, im Kriege nicht zu schießen,
wenn es aber schon zum Schießen komme, auf einen Feind im Innern,
der ihm näher stehe, zu schießen. Festere Gestalt habe der Plan durch die
Zensurplagereien angenommen. Die Tat sollte dem Auslande nicht ver-
heimlicht werden können. Sie sollte dem Kaiser nicht verschwiegen werden,
wie vieles andere verschwiegen wurde. Die Tat sollte die Schranken zum
Auslande und zum Kaiser durchbrechen.
In der Urteilsbegründung wird ausgeführt, daß der Gerichtshof
auf Grund des Geständnisses des Angeklagten, auf Grund der Zeugenaus-
sagen und des Gutachtens der Fakultät zu der Ueberzeugung von der Schuld
des Angeklagten gelangt sei. Was den Beweggrund zur Tat anlangt, so
habe der Gerichtshof die von dem Angeklagten angegebenen Angaben als
richtig angenommen. Das Urteil der Fakultät ließe keinen Zweifel an der
Zurechnungsfähigkeit des Angekl. aufkommen. Das Moment der Tücke sehe
der Gerichtshof nicht als gegeben an, weil der Angekl. keine List angewandt
be, um das Opfer in eine besonders schwierige Lage zu bringen. — Die
Todesstrafe wird später in Kerkerstrafe umgewandelt (s. 7. Sept.).
19. Mai. Kaiser Karl ernennt 60 (5 erbl., 55 lebensl.) neue
Herrenhausmitglieder.
Unter den erblichen befindet sich der früh. Botschafter in Petersburg
Franz Prinz zu Liechtenstein. Unter den lebenslänglichen befinden sich