Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

Die ãsterreithisch-nngarise Menarqhie. (Januar 1.) 5 
Umstaͤnde eingetreten, welche leider auch so eingetreten sind. Sie wären 
aber um einen Monat früher eingetreten, zu einer Zeit, in welcher der 
wirtschaftliche Nachteil ein weit größerer gewesen wäre, und diese Flucht 
der ung. und deutschen Bewohnerschaft Siebenbürgens vor einem nirgends 
sichtbaren Feinde hätte unserem moralischen Prestige eine unauswetzbare 
Scharte geschlagen und wäre gleichzeitig ein verlockendes Zeichen für die 
Rumänen gewesen. Wir mußten daher warten in dem Bewußtsein, daß für 
Rumänien der von seinem Standpunkte zum Eingreifen geeignete Moment 
noch nicht eingetreten sei. Wir wußten, daß Rumänien mit seinen Vor- 
bereitungen noch nicht fertig ist, und wußten auch, daß, wenn es uns an 
der russischen Front gelingt, die Situation zu sichern, eine solche Wehr- 
macht zur Verfügung stehen werde, welche die Rumänen, falls sie unser 
Land betreten, mit Schande über unsere Grenzen zurückwirft. Unter solchen 
Umständen mußten wir voraussetzen, daß auch die rum. Regierung den für 
sie geeigneten Moment abwarten wird. In dieser Voraussetzung haben wir 
uns getäuscht, und die Folge davon war, daß dieses auch sonst nicht auf- 
zuhaltende Ereignis, die zeitweise Besetzung der östlichen und südlichen 
Grenzgebiete Siebenbürgens durch den Feind, eingetreten ist. Aber die 
Folge dieses Irrtums war auch jene Situation, in welcher wir heute unsere 
rum. Feinde sehen. Wenn wir auf den Vorwurf, daß wir in dem giganti- 
schen Kampfe gegenüber einer solchen Uebermacht diesen prachtvollen Teil 
des ung. Grenzgebietes gegen die zeitweiligen Verwüstungen durch den 
Feind nicht zu schützen vermochten, damit antworten, daß wir den Feind 
verjagten, ihn niederschmetterten und auf die Knie nötigten, und wenn ich 
andererseits noch hinzufüge, daß die vereinte Arbeit des Staates, der Ge- 
sellschaft und der so schwer geprüften Brüder selbst die Trümmer wieder 
aufbauen, die geschlagenen Wunden heilen, die Vorbedingungen eines 
besseren und schöneren Lebens schaffen wird, dann glaube ich, daß wir für 
alles, was dort geschehen — und glaubt mir, was in diesen Geschehnissen 
schmerzhaft ist, schmerzt niemand mehr, als es uns schmerzt — mit er- 
hobenem Haupte die Verantwortung tragen können. 
Die Gefahren des Sommers sind über uns hinweggezogen, die große 
konzentrierte Offensive unserer Feinde wurde auf allen Linien zum Stehen 
gebracht. Der Angriff des neuen Feindes bot die Möglichkeit zu einer für 
uns günstigen Wendung, einer Wendung, deren erfreuliche weitreichende 
Folgen wir bereits wahrnehmen können und welche, so Gott will, noch 
weitere günstige Entwicklungen zeitigen wird. Diese Situation ermöglichte 
den verbündeten Mächten, das Wort des Friedens auszusprechen und 
mit der auf den Frieden bezüglichen Initiative sich an ihre Feinde zu 
wenden. Aus den heutigen Zeitungen ersehen wir, daß die Antwort auf 
diese Initiative vielleicht schon eingetroffen ist. Für mich ist es heute noch 
unsicher, ob tatsächlich unsere Feinde mit dieser vollkommenen Abweisung 
auf unsere Initiative antworten werden. Wenn sie mit einer solchen ant- 
worten sollten, so kann ich nur sagen: Sie findet uns weder unerwartet 
noch unvorbereitet. Unser Weg ist klar und gerade. Wir waren zum Frieden 
bereit in den langen Jahrzehnten vor dem Kriege; arbeiteten wir doch stets 
an dem Werke des Friedens. Uns zwang die nach unserem Leben trachtende 
Leidenschaft unserer Feinde zum Kriege. Wir sind auch heute in jedem 
Augenblick zum Frieden bereit, aber wir setzen den Kampf fort, 
und wenn Gott es so will, wird jeder weitere Tag des Kampfes immer 
neue Beweise dafür bringen, daß dieser Krieg die gottlose, unnötige, ver- 
gebliche Zerstörung von Menschenleben, menschlichen Wohlstands und der 
teuersten geistigen und moralischen Güter der Menschheit ist. Wir werden 
den Krieg fortsetzen, bis die einander folgenden Erfolge entweder auch im
	        
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