Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

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formel entspricht. Das große Nachbarvolk im Osten, mit dem uns 
einstens eine alte Freundschaft verband, scheint sich in allmählicher Be- 
sinnung auf seine wahren Ziele und Aufgaben neuestens dieser Anschauung 
zu nähern und aus dunklem Drange heraus eine Orientierung zu suchen, 
die die Güter der Zukunft rettet, bevor sie eine sinnlose Kriegspolitik ver- 
schlungen hat. Wir hoffen im Interesse der Menschheit, daß dieser Prozeß 
innerer Neugestaltung sich bis zu einer kraftvollen Willensbildung nach 
außen durchringen und daß eine solche Klärung des öffentlichen Geistes 
auch auf die anderen feindlichen Länder übergreifen wird. Wie unsere 
Mächtegruppe mit unwiderstehlicher Wucht für Ehre und Bestand kämpft, 
ist und bleibt sie jedem gegenüber, der die Absicht, sie zu bedrohen, ehrlich 
aufgibt, gerne bereit, den Streit zu begraben, und wer darüber hinaus 
wieder bessere, menschlichere Beziehungen anknüpfen will, der wird auf 
dieser Seite gewiß ein bereitwilliges vom Geiste der Versöhnlichkeit 
getragenes Entgegenkommen finden. Einstweilen aber wird unser Kampf- 
wille nicht erlahmen, unser Schwert nicht stumpf werden. In treuer Ge- 
meinschaft mit dem altverbündeten Deutschen Reiche und den Bundes- 
genossen, die unsere gerechte Sache im Laufe des Krieges gewonnen, bleiben 
wir bereit, ein gutes Kriegsende, das wir gerne dem Durchbruche der 
Vernunft danken möchten, nötigenfalls mit der Waffe zu erzwingen. 
Ich beklage die wachsenden Opfer, welche die lange Dauer des 
Krieges der Bevölkerung auferlegt. Ich beklage das Blut Meiner tapferen 
Soldaten, die Entbehrungen der braven Bürger, all die Mühsal und Be- 
drängnis, die um des geliebten Vaterlandes willen so heldenmütig getragen 
wird. Die Bemühungen Meiner von einer vollbewährten Beamtenschaft 
unterstützten Regierung sind unablässig darauf gerichtet, die Lebenshaltung 
der Bevölkerung, deren Staatstreue, Gemeinsinn und Tüchtigkeit Meine 
dankbare Anerkennung findet, zu erleichtern und durch zweckmäßige Or- 
ganisation das Auslangen mit den Vorräten zu sichern. Gerade jetzt, ehe 
die treue Scholle uns als Dank für die fleißige Arbeit der Daheimgeblie- 
benen die Gabe dieses Jahres bringt, ist die schwerste Zeit. Lassen Sie es, 
Meine Herren, an Ihrer von Einsicht und Erfahrung getragenen Mitarbeit 
nicht fehlen, um die Schwierigkeiten, die uns bis dahin noch bevorstehen, 
erfolgreich zu überwinden. 
Das Gebot des Augenblicks heischt die volle Anspannung aller Kräfte 
im Staate. Aber daneben dürfen wir nicht versäumen, uns für die großen 
Aufgaben vorzubereiten, die der Schoß der Zukunft birgt und von deren 
glücklicher Lösung das fernere Gedeihen des Staatswesens abhängt. Oester- 
reich hat die ungeheuren finanziellen Anforderungen dieses Krieges 
aus eigenem zu erfüllen vermocht, und der Erfolg der sechsten Kriegs- 
anleihe ist der beste Beweis, daß eine Berechnung der Feinde, die etwa 
von einem Niedergange unserer inneren Hilfsmittel eine Veränderung der 
Kriegslage erwarten wollte, zum Fehlschlagen verurteilt ist. Aber wir 
mußten tief in die Ersparnisse der Volkswirtschaft hineingreifen und die 
Zukunft mit schweren Verpflichtungen belasten. Die Führung des Staats- 
haushaltes soll wieder auf die normale gesetzliche Grundlage gestellt 
werden. In allererster Reihe steht jedoch das Gebot, die Staatswirtschaft, 
welche durch die Kriegslasten eine ernste Störung erlitten hat, wieder in 
geordnete Bahnen zu lenken. Zu diesem Zwecke müssen dem Staate aus- 
reichende Einnahmen erschlossen werden, wobei das Betreten neuer, von 
den bisherigen abweichender Wege der Finanzpolitik unvermeidlich sein 
wird. Eine weise und strenge Oekonomie im Staatshaushalte, insbesondere 
die Unterlassung jedes nicht durch sachliche Zwecke unbedingt erheischten 
Verwaltungsaufoümdes muß die Wiederherstellung des finanziellen Gleich- 
 
	        
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