Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

88 Die ãsterreithisqh·nugarise Nenathie. Mai 31. 
gewichtes erleichtern. In diesem Rahmen des finanziell Zulässigen wird 
Meine Regierung unter Ihrer Mitwirkung auf die Gutmachung der 
Schäden des Krieges bedacht sein. Mit dem Wiederaufbau des Zer- 
störten wurde bereits begonnen und wird Ihre Fürsorge sich insbesondere 
jenen Gebieten zuwenden müssen, die von dem Kriege am meisten gelinen 
haben. Eine der dringendsten Aufgaben ist es, für die Hinterbliebenen der 
Gefallenen und für jene, die im Kriege ihre Arbeitsfähigkeit eingebüß:t 
haben, vorzusorgen. Darüber hinaus gilt es., eine intensive Wohlfahns-- 
politik in der doppelten Richtung der Produktionsförderung einerseits und 
der sozialen Fürsorge andererseits zu entfalten. Die Erfahrungen des 
Krieges haben bewiesen, welche wunderbare Elastizität der Produktion 
innewohnt. Sie wird sich neuerlich zu bewähren haben, wenn es sich 
darum handeln wird, den künftigen Uebergang zur Friedenswirt- 
schaft zu bewerkstelligen und aus der vielfältigen Gebundenheit, die der 
Kriegszustand mit sich brachte, den Weg zur normalen Gestaltung der 
Verhältnisse zurückzufinden. Auf der breiten Basis des wirtschaftlichen 
Ausgleiches mit den Ländern Meiner ungarischen heiligen Krone, welcher 
auf Grund der von Meinen beiden Regierungen vor kurzem getroffenen 
Vereinbarungen seinerzeit den Gegenstand Ihrer Beratungen bilden wird, 
und gestützt auf eine planmäßig ausgebaute Handelspolitik der Monarchie 
müssen wir alle Kräfte zusammenfassen, insbesondere aber die Erzeugung 
auf industriellem und gewerblichem wie auf landwirtschaftlichem Gebiete 
ergiebiger gestalten und verbilligen. Der vielfach noch nicht ausgenußte 
Reichtum der Naturschätze, die Möglichkeit, den Wert der menschlichen 
Arbeit durch technische Hilfsmittel und durch zweckmäßige Methoden zu 
steigern, sollen eine verläßliche Quelle der Regeneration des Wohlstandes 
für den einzelnen wie für die Gesamtheit werden. 
Nicht minder liegt Mir die soziale Fürsorge am Herzen. Der 
Krieg hat der Volkskraft schwere Einbuße verursacht, deren Ausgleichung 
nur von einer zielbewußten Bevölkerungspolitik erwartet werden kann. Es 
bedarf tatkräftiger Maßnahmen auf dem weiten Felde der Volkshugiene. 
Der Kampf gegen Volkskrankheiten, die Hintanhaltung der großen Säug- 
lingssterblichkeit und Hand in Hand damit eine weitgehende Ausgestaltung 
unserer Jugendfürsorge, der Kampf gegen die Verwahrlosung der Jugend 
und die zeitgemäße Reform des veralteten Jugendstrafrechtes wird Ihre 
und die Sorge Meiner Regierung sein. Auch wird Vorsorge zu treffen 
sein, daß das Wohnungsbedürfnis der breiten Massen, insbesondere der 
linderreichen Familien befriedigt werde. Ebenso beanspruchen die Ihnen 
seit langer Zeit wohlvertrauten Fragen der Sozialversicherung dringend 
eine Lösung. Meine Regierung wird sich den Ausbau der Arbeiter- 
schutzesetzgebung zur Pflicht machen. Sie wird ihr Augenmerk be- 
sonders jenem Teil unserer Arbeiterschaft zuwenden, von deren physischer 
und geistiger Leistungsfähigkeit die Zukunft unserer Volkskraft und unferes 
Wirtschaftslebens in erster Linie abhängt: den Frauen und den jugend- 
lichen Arbeitern. Es wird Ihnen eine Regierungsvorlage zugehen über 
die Regelung der Arbeitszeit der Frauen und Jugendlichen und der Nacht- 
arbeit der Jugendlichen. Auch der Mittelstand, der von den wirtschaft- 
lichen Folgen des Krieges besonders schwer getroffen wurde, darf der 
eifrigen staatlichen Fürsorge nicht entbehren. Die gesamte Bevölkerung hat 
in schwerer Zeit die Erwartungen, die der Staat in sie zu setzen berechtigt 
war, nicht nur voll erfüllt, sondern übertrossen; sie darf im Staate keine 
Enttäuschung erleben. Gewiß wird die Verwirklichung eines solchen Für- 
sorgesystems nur allmählich und nur wohl überlegt erfolgen können, damit 
nicht etwa eine den besten Absichten entspringende Ueberstürzung die öko-
	        
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