Pelen. (Okt. 28.—Nov. 3.) 511
den für ein Zusammengehen mit Deutschland tätigen Aktivisten und den
Mittelmächten standen. Die gemäßigten Elemente in Polen sind damit
politisch ausgeschaltet. Die Linke hat sich an der Kabinettsbildung nicht beteiligt.
Der Delegierte des k. u. k. Ministeriums des Aeußern, Ugron, be-
nachrichtigt am 21. den Prinzen Janusz Radziwill, daß die österr.--ung.
Regierung auf das ihr nach dem Patente v. 12. Sept. 1917 zustehende Recht
der Bestätigung des poln. Ministerpräsidenten verzichte.
Ministerpräsident Swiezynski, 50 Jahre alt, ist Vorsitzender des Inter-
parteilichen Klubs und gehört seit April dem Staatsrat an. Von Beruf ist er
Arzt. 1906 wurde er als nationaldemokr. Abg. in die Duma gewählt, der
er bis kurz vor dem Ausbruch des Krieges angehört hat. — Der Minister
des Auswärtigen Glombinski, Prof. an der Univ. Lemberg, ehem. österr.
Eisenbahnminister, ist der bekannte Reichsratsabg. und Führer der österr.
Altpolen, die in der letzten Zeit mit ihren allslawischen Bestrebungen im
Wiener Polenklub eine bedeutende Rolle spielten. Er hat eine Zeitlang auch
die Geschäfte eines Obmanns des Polenklubs geführt.
Als Programmder neuen Regierung entwickelt der Ministerpräsident den
Vertretern der Warschauer Presse (am 29.): Nach außen hin vertrete es die
nationale Lösung eines geeinigten unabhängigen Polens, mit einem eigenen
Zugang zum Meere, sowie die völlige Unabhängigkeit der Regierung von
den Okkupationsbehörden. Nach innen werden in Aussicht gestellt die baldige
Berufung des Landtags, die Regelung des Finanzwesens und die innere
Anleihe, ferner die Aufstellung eines Heeres, Fürsorge für Rückwanderer, Ar-
beiter-- und Verpflegungswesen, Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung.
W. Okt. Der österr.-ung. FML. Rozwadowski wird zum General-
stabschef der poln. Truppen ernannt.
1. Nov. Übernahme der Verwaltung von Galizien.
Fürst Witold Czartoryski wird vom Regentschaftsrat zum General-
kommissar für die Uebernahme der Staatsverwaltung in Galizien und Poln.=
Schlesien ernannt. Den militär. Oberbefehl in Galizien hat Divisionsgeneral
Puchalski. (Ueber die Vorgänge in Galizien s. Oesterr.-Ung., 1. Nov.)
3. Nov. Aufruf des Ministerrates betr. Bildung einer demokr.=
nationalen Regierung, Proklamierung der Republik.
Als Maueranschlag und in den Zeitungen erscheint folgender von sämt-
lichen Ministern unterzeichneter Aufruf: Polen! Im Angesicht der höchsten
Aufgaben, die der weltgeschichtliche Augenblick dem poln. Volke gestellt hat
und im Gefühl der Verantwortlichkeit vor dem Volke und der Geschichte
versteht die heutige poln. Regierung, daß nur die riesenhafte gemeinsame
Anstrengung des ganzen Volkes, vor allem des arbeitenden poln. Volkes der
heiligen Aufgabe gewachsen sein wird, die Fundamente des Gebäudes des
vereinigten freien Volksstaates zu schaffen, die nationale Freiheit und das
Vaterland zu verteidigen, die Bevölkerung vor dem Hunger zu schützen und
die unantastbaren Rechte Polens im Verhältnis zu den übrigen Völkern zu
sichern. Indem die gegenwärtige Regierung versteht, daß die Interessen
der privilegierten Stände in dieser historischen Stunde vor dem Wohle des
Vaterlandes zurückstehen müssen, hat die gegenwärtige poln. Regierung die
entschlossene Initiative zur sofortigen Bildung einer nationalen Regierung
im Einverständnis mit den poln. Parteien ergriffen, die das arbeitende
poln. Volk vertreten. Die in ihrer Mehrheit aus Vertretern des arbeitenden
Volkes bestehende nationale Regierung muß unverzüglich entstehen. Indem
wir bis zum Augenblick der Entstehung der nationalen Regierung, die bis