Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

Nürtei. (Okt. 31.—Dez. 24.) 527 
zu halten und das Ergebnis der Verhandlungen über einen gemeinschaft- 
lichen Waffenstillstand abzuwarten. Wenn die türk. Regierung gleichwohl 
noch vor Beginn des Angriffs den Widerstand aufgeben und sich von uns 
trennen zu müssen glaubte, so konnten wir sie daran nicht hindern. Es 
wäre auch ungerecht, wollten wir sie deswegen anklagen. Ebensowenig aber 
konnten wir unser Einverständnis mit einem Vorgehen erklären, das dem 
Bundesverhältnis nicht entspricht. 
31. Okt. Antwort der Ver. St. auf die türk. Note v. 5. (S. Ver. St.) 
10. Nov. (Konstantinopel.) Ankunft einer engl. und franz. 
Mission. 
Am 13. läuft eine Flotte der Alliierten in Konstantinopel ein. 
17. Nov. Kabinettswechsel. 
Tewfik Pascha, ehem. türk. Botschafter in London, wird zum Groß- 
wesir ernannt und bildet ein verbandsfreundliches Ministerium, mit Nabi 
Bei als Minister des Ausw. und Zia Pascha als Finanzminister. Die bis- 
herigen Minister Dschavid Bei und Hairi sollen vor Gericht gestellt werden. 
(S. auch Tl. 1 S. 557.) 
2. Dez. Unabhängigkeitserklärung Armeniens. 
„Reuter“ meldet aus London: Die armenische Nationaldelegation, die 
gegenwärtig in Paris ihren Sitz hat, hat die Unabhängigkeit des vereinigten 
armenischen Staates mit Einschluß Ciliciens proklamiert. 
5. Dez. Die Internierung der türk. Kriegsschiffe (einschließlich 
der „Goeben“) im Goldenen Horn ist vollendet. 
12. Dez. Jüdischer Anspruch auf Palästina. 
Das „Jüdische Korr.-Bur.“ meldet aus London, daß die Juden auf 
der Friedenskonferenz die Anerkennung des historischen und nationalen 
Rechts des jüdischen Volkes auf Palästina, die Möglichkeit zur Ansiedlung 
in Palästina derjenigen Juden, die es wünschen, und ein engl. Protektorat 
über Palästina für eine Uebergangszeit von 25 Jahren durchsetzen wollen, 
bis eine Million Juden oder mehr im Lande anwesend und imstande sind, 
selbst die Regierung zu übernehmen. Der Korrespondent des „Jüd. Korr.= 
Bur.“ erfährt von gut unterrichteter Seite, daß die Alliierten auf der 
Friedenskonferenz die Zionisten in dieser Richtung unterstützen werden. 
23. Dez. (Kammer.) Der Minister des Innern gibt die Auf- 
lösung des Parlaments bekannt. 
Der „Deutsch. Allg. Ztg.“ wird dazu aus Zürich gemeldet: Die 
Auflösung des (jungtürk. gesinnten) Parlaments ist auf den Druck des Ver- 
bandes zurückzuführen. Diese Maßregel wird nämlich damit begründet, daß 
die Türkei ohne jede innere Notwendigkeit in den Krieg verwickelt worden 
sei, nur um den Ehrgeiz gewisser Politiker wie Envers und Talaats zu 
befriedigen. Die türk. Regierung hat ferner unter Druck des Verbandes ein 
außerordentliches Kriegsgericht eingesetzt zwecks Aburteilung aller Beamten, 
die in die armenischen Metzeleien verwickelt waren. 
24. Dez. Abbruch der deutsch-türk. Beziehungen. 
Die „Voss. Ztg."“ meldet: Wie wir hören, ist die deutsche Botschaft 
in Konstantinopel unter dem Zwang der Entente abgereist und wird am 
28. Dez. zu Schiff in Genua erwartet. Voraussichtlich wird die Entente von 
der Türkei verlangen, daß sie auch ihre Vertretung aus Berlin abberuft
	        
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