Bie üserreichis-- ungarische Monarchie und die Nachfolsestasten. (Okt. 21.) 77
wendung dieser Gefahr das Aeußerste aufbieten. So schreiten wir denn in
dieser denkwürdigen Stunde in diesem geschichtlichen Raume tiefbewegt,
doch mit freudiger Hoffnung und ganzer Zuversicht an das Gründungswerk
unseres Staates, glücklich, die Berufenen zu sein, zur neuen Zukunft unseres
Volkes den Grundstein zu legen. In diesem Geiste begrüße ich Sie, werte
Volksgenossen, und begrüße ich unser teures Volk zum ersten Male mit
dem Ruse: Heil Deutschösterreich! (Stürmischer Beif.) Sodann fordert er die
Versammlung auf, zur Konstituierung der Nationalversammlung zu schreiten.
Mit Zuruf werden zu Präsidenten gewählt: Dr. Dinghofer (Deutsch-
nat.), Fink (Christl.-soz.), Seitz (Soz.).
Präsident Seitz übernimmt den Vorsitz und erklärt u. a.: Wir legen
heute den Grundstein für ein neues Deutschösterreich. Dieses neue Deutsch-
österreich wird errichtet werden nach dem Willen des deutschen Volkes in
Oesterreich. Frei und ungehemmt muß dieser Wille zur Geltung kommen.
Wir werden ein neues Deutschösterreich aufbauen, und wir hoffen, daß es ein
Deutschösterreich des Glückes und des Friedens wird. (Lang anhaltender Beif.)
Die Versammlung nimmt sodann einen einstimmig beschlossenen Be-
schlußantrag an. Dieser spricht die Entschlossenheit des deutschen Volkes in
Oesterreich aus, seine künftige staatliche Ordnung selbst zu bestimmen, einen
selbständigen deutschösterr. Staat zu bilden und seine Beziehungen zu den
anderen Nationen durch freie Vereinbarungen mit ihnen zu regeln. Der
deutschösterr. Staat beansprucht Gebietsgewalt über das ganze deutsche
Siedlungsgebiet, insbesondere auch in den Sudetenländern. Jeder Annexion
von durch deutsche Bauern, Arbeiter und Bürger bewohnten Gebieten seitens
anderer Nationen wird sich der deutschösterr. Staat widersetzen. Den Zu-
gang des deutschen Volkes zum Adriat. Meere wird er durch Vereinbarungen
mit anderen Nationen sicher zu stellen suchen. Bis zu der auf Grund des
allgemeinen gleichen Wahlrechts zu wählenden konstituierenden National-
versammlung, welche die Verfassung des deutschösterr. Staates festsetzen wird,
wird das deutsche Volk in Oesterreich von der Gesamtheit der deutschen
Reichratsabg. als Prov. Nationalversammlung für Deutschösterreich vertreten.
Diese beansprucht das Recht, bis zum Zusammentritt der konstituierenden
Nationalversammlung das deutsche Volk in Oesterreich bei den Friedens-
verhandlungen zu vertreten und Verhandlungen mit anderen Nationen
über die Uebertragung der Verwaltung an die neuen Nationalstaaten und
über die Neugestaltung der Beziehungen zwischen den Nationen zu führen
und eine Gesetzgebung und Vollzugsgewalt einzurichten. Sie wird die
Wahlordnung für die konstituierende Nationalversammlung festsetzen und
die Organisation der inneren Verwaltung des deutschösterr. Staates vor-
bereiten. Besondere Aufmerksamkeit wird sie der wirtschaftlichen Not des
deutschen Volkes in Oesterreich zuwenden, die infolge der Stockung der
Lebensmittelzufuhren drohenden Gefahren zu bekämpfen sich bemühen
und hierfür die erforderlichen Verhandlungen führen. Die Vollversamm-
lung der Abg. der deutschen Wahlbezirke beschließt daher: 1. Sich als
Prov. Versammlung für Deutschösterreich zu konstituieren. 2. Einen Voll-
zugsausschuß von 20 Mitgliedern zu wählen, der der Nationalversamm-
lung Anträge über die Verfassung des deutschösterr. Staates zu unter-
breiten hat, der bis zur Bildung der deutschösterr. Regierung das deutsche
Volk in Oesterreich gegenüber den anderen Nationen zu vertreten und die
Stellung Deutschösterreichs bei den Friedensverhandlungen vorzubereiten hat.
3. Einen Verfassungsausschuß zu wählen, der den Entwurf einer Wahl-
ordnung für die Wahl der konstituierenden Versammlung auszuarbeiten
und in der Prov. Nationalversammlung vorzulegen hat. 4. Einen Ver-
waltungsausschuß zu wählen, der Anträge über die Organisation Deutsch-