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sammlung nach Ludwigsburg zusammengerufen, welche sich, unter den abermals
veränderten Zeitverhältnissen, gefügiger zeigte und nach mannigfachen Modifika-
tionen den neuen vom König vorgelegten Entwurf am 23. Sept. 1819 einstimmig
annahm. Am 25. Sept. wechselten der König und die Stände in feierlicher Zu-
sammenkunft die Urkunden des Verfassungsvertrages aus. Dies ist die noch
heute geltende Verfassungsurkunde des Königreichs Württemberg, welche auch
hochwichtige Bestimmungen über das Fürstenrecht enthält.
Charakteristisch für die neue konstitutionelle Staatsordnung ist es, dass die
Grundsätze über Thronfolge, Regentschaft, Civilliste, Krondotation u. s. w. welche
zur Zeit des altständischen Staates in den Hausverträgen, zur Zeit des
Absolutismus in dem einseitig erlassenen Hausgesetze von 1808 gestanden
hatten, jetzt durch Aufnahme in die Verfassungsurkunde zu einem wichtigen
Theile des Verfassungsrechts erhoben wurden. Am wichtigsten für uns
ist das zweite Kapitel: Von dem Könige, der Thronfolge und der
Reichsverwesung.
Erstes Kapitel.
Von dem Königreiche.
$. 1. Sämmtliche Bestandtheile des Königreichs sind und bleiben zu einem
unzertrennlichen Ganzen und zur Theilnahme an einer und derselben Verfassung
vereinigt.
8. 2. Würde in der Folgezeit das Königreich einen neuen Landeszuwachs
durch Kauf, Tausch oder auf andere Weise erhalten, so wird derselbe in die
Gemeinschaft der Verfassung des Staates aufgenommen.
Als Landeszuwachs ist alles anzusehen, was der König nicht blos für Seine
Person, sondern durch Anwendung der Staatskräfte, oder mit der ausdrücklichen
Bestimmung, dass es einen Bestandtheil des Königreichs ausmachen soll, erwirbt.
Sollte ein unabwendbarer Nothfall die Abtretung eines Landestheiles un-
vermeidlich machen, so ist wenigstens dafür zu sorgen, dass den Eingesessenen
des getrennten Landestheiles eine hinlängliche Zeitfrist gestattet wird, um
sich anderwärts im Königreiche mit ihrem Eigenthum niederlassen zu können,
ohne in Veräusserung ihrer Liegenschaften übereilt, oder durch eine auf das
mitzunehmende Vermögen gelegte Abgabe, oder sonst auf andere Weise belästigt
zu werden.
8. 3. Das Königreich Würtemberg ist ein Theil des deutschen Bundes;
daher haben alle organischen Beschlüsse der Bundesversammlung, welche die
verfassungsmässigen Verhältnisse Deutschlands, oder die allgemeinen Verhält-
nisse deutscher Staatsbürger betreffen, nachdem sie von dem Könige verkündet
sind, auch für Würtemberg verbindende Kraft. Jedoch tritt in Anschung der
Mittel zur Erfüllung der hierdurch begründeten Verbindlichkeiten die verfas-
sungsmässige Mitwirkung der Stände ein.