Full text: Die Hausgesetze der regierenden Deutschen Fürstenhäuser. Dritter Band: Sachsen, Schwarzburg, Waldeck, Württemberg, Zollern. (3)

41 Einleitung. 581 
vor Allem aber durch erleichterte Gelegenheit zur Verheirathung dem Aussterben 
seines Stammes vorbeugen wollte, so lässt sich doch nicht verkennen, dass in der 
Errichtung solcher Paragien immerhin eine Gefahr für die Staatseinheit und ein 
bedenklicher Zündstoff für fortwährende Streitigkeiten, dass darin sogar ein 
Rückschritt gegen das bisher beobachtete System der blossen Geldapanagen 
lag. Mit vollem Rechte erklärte daher der Kurfürst Friedrich III. sogleich bei 
seinem Regierungsantritte das väterliche Testament für ungültig, indem es den 
Hausgesetzen widerspreche und schloss mit seinen Brüdern nach und nach Ver- 
gleiche ab, worin er dieselben mit ansehnlichen Gelddeputaten abfand. In dem 
als „Hausvertrag‘ bezeichneten Vergleiche vom 3. März 1692 zwischen dem 
Markgrafen Philipp Wilhelm und dem Kurfürsten Friedrich III. verzichtet ersterer 
auf das ihm testamentarisch zugesicherte Fürstenthum Halberstadt, als „wider 
die Grundsätze des Hauses und in specie wider das darin stabilirte jus primo- 
geniturae laufend“, zu Gunsten Friedrichs III. In den ähnlichen Reversen der drei 
anderen nachgeborenen Brüder Markgrafen Albrecht, Karl und Christian Ludwig, 
worin sie ähnlichen väterlichen Zuwendungen entsagten, werden das Testament 
des Albrecht Achilles und der Geraische Vertrag wiederholt als „Fundamentalgesetze 
des Hauses‘ anerkannt (v. Mörner, Kurbrandenburgs Staatsverträge, Anh. S. 789). 
Seit dieser Zeit ist der Versuch, Nachgeborene mit untergeordneten Hoheitsrechten 
über Land und Leute auszustatten, nie wieder gemacht worden. Man hat von nun 
an, unter Verwerfung des Paragialsystems, die Nachgeborenen stets nur mit 
Gelddeputaten abgefunden, wie dies die Erbweisheit der älteren Hausgesetze seit 
Jahrhunderten angeordnet hatte. Davon macht auch die Ausstattung des älte- 
sten Sohnes aus zweiter Ehe des grossen Kurfürsten mit den Herrschaften 
Schwedt und Vierraden keine Ausnahme, über deren Rechtsverhältnisse wir 
am Schlusse des Abschnittes in einer Anmerkung Mittheilungen machen werden, 
da dieselben in neuerer Zeit vielfach der Gegenstand von langwierigen Rechts- 
streitigkeiten gewesen sind. 
Durch den s.g. Retraditionsrecess vom 10. Jan. 1694 musste Fried- 
rich UI. infolge eines geheimen Versprechens, welches er als Kurprinz gegeben, 
den Kreis Schwiebus wieder an Oesterreich abtreten, wogegen ihm die Anwart- 
schaft auf Ostfriesland und die gräflichen Herrschaften Limburg und Speckberg 
in Franken zugesichert wurden (v. Mörnera.a.0., S.798). Durch Kauf gelang 
ihm die Erwerbung kursächsischer Besitzungen und Rechte, so der Erbvogtei über 
Stadt und Stift Quedlinburg, der Reichsvogtei und des Schultheissenamtes 
zu Nordhausen, des Amtes Petersberg bei Halle a. S. (Lünig, R.A. P. spec. 
Cont. II Abs. III S. 248. Dumont VII p. 376), ebenso der Erwerb der Graf- 
schaft Tecklenburg von Solms-Braunfels!'), Auch schloss Kurfürst 
Friedrich II. einen Erbvertrag mit dem fürstlichen Hause der 
  
1) Memoriale ad comitia imperii die unmittelbare Reichsgrafschaft Tecklenburg und Dependentien 
betr. 1708. Kurze Vorstellung Ihrer Königl. Majest. in Preussen die Grafschaft Tecklenburg betr. 
1707 in Lünigs Grundfesten Europ. Potenzen Th. I 8. 502 ff. Species facti Sr. Königl. Maj. in 
Preussen wohlerworbenen Possession und Gerechtsamen der ohnmittelbaren Allodialreichsgrafsch. Teck- 
lenburg betr. 1732(4), in Fabers Staatskanzlei B. XLI S. 669 ff.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.