Full text: Die Hausgesetze der regierenden Deutschen Fürstenhäuser. Dritter Band: Sachsen, Schwarzburg, Waldeck, Württemberg, Zollern. (3)

51 Einleitung. 685 
des europäischen Staatensystemes erkannte. Im Mittelalter hatte man, je nach 
dem Standpunkte, bald dem Papste, bald dem Kaiser, bald beiden zugleich die 
Befugniss beigelegt, einem Fürsten die Königswürde zu verleihen. Dass ohne 
Zustimmung wenigstens eines derselben ein neues Königthum geschaffen werden 
sollte, erschien damals den meisten unmöglich '). Von Seiten der Kurie wurden 
in dieser Beziehung schon früh Annäherungsversuche gemacht, aber ein Preis 
auf die Königskrone gesetzt, welcher selbst dem Ehrgeize des Kurfürsten zu 
hoch erschien. Der von jesuitischen Helfern, den Patres Vota und Wolf, in 
schlauer Umhüllung ausgespielte Gedanke eines Glaubenswechsels wurde vom 
Kurfürsten aufs Entschiedenste von vornherein zurückgewiesen. Von dieser 
Seite war daher für ihn nichts mehr zu erwarten. Aber auch der andere Fak- 
tor war nicht leicht zu gewinnen, denn auch dem Kaiser erschien das König- 
thum eines Fürsten, den man in Wien seit den Zeiten des grossen Kurfürsten 
als Rivalen zu betrachten gewohnt war, als höchst bedenklich. Diese Bedenken 
mussten von Seiten des Kurfürsten durch grosse Zugeständnisse und Opfer über- 
wunden werden, welche derselbe der kaiserlichen Politik brachte. Dazu kamen 
günstige Zeitverhältnisse, welche dem kaiserlichen Hofe die Alliance des Hauses 
Brandenburg besonders werthvoll erscheinen liessen, wozu besonders der nah 
bevorstehende spanische Successionskrieg gerechnet werden muss. Am 4$. Nov. 
1700 wurde der „erneuerte Alliancevertrag“, den man fälschlich „Kro- 
nentraktat“ zu nennen beliebt hat, zwischen dem Kaiser Leopold I. und Kur- 
fürst Friedrich III. abgeschlossen, in welchem der Kaiser die preussische Königs- 
würde anzuerkennen versprach. Auch hier wahrte der Kurfürst streng den mo- 
dernen völkerrechtlichen Gesichtspunkt, wornach jedem Souverän freisteht, einen 
beliebigen Titel anzunehmen, wobei eg nur darauf ankommt, sich der Anerken- 
nung der anderen Staaten, besonders der maassgebenden Potenzen, möglichst 
zu versichern. So wurde auch die Zustimmung des Kaisers lediglich aufgefasst. 
Während in dem kaiserlichen Vertragsentwurfe die Formel gebraucht war (A. VII), 
dass der Kurfürst „nicht befugt sei, ohne Zustimmung des Kaisers, als des 
höchsten Oberhauptes der Christenheit, den Königstitel anzunehmen“, bestand 
der Kurfürst darauf, dass in dem definitiven Vertragstexte dieser Ausdruck in den 
“entsprechenden „nicht gemeint sei“ verändert werde, wie dies auch geschah. 
(Abgedruckt in Försters Höfen und Kabinetten, Potsd. 1836, Urkundenb. I 
S.8). Damit war auch selbst der Schein vermieden, dass die neue Königswürde 
eine vom Kaiser verliehene sei, die kaiserliche Zustimmung war auf den Akt 
einer völkerrechtlichen Anerkennung zurückgeführt. Die Schöpfung der 
neuen Königswürde wurde lediglich als ein Souveränitätsakt 
angesehen. Kein Wunder, dass die dadurch tiefverletzte Kurie ihrem Un- 
  
1) Selbst der kurbrandenburgische Minister v. Fuchs sagt in den Dignitätsakten: „Man muss 
drei Dinge präsupponiren, ohne welche dergleichen Beginnen entweder gar nicht oder nicht ohne 
grosse Gefahr und Hazard wird reüssiren können: erstlich, dass der Kaiser konsentire und Ew.K.D. 
vor einen König erkenue und deklarire . . Des Kaisers Konsens und Rekognition ist so absolut nö- 
thig, dass kein getreuer Diener Ew. K. D. rathen kann, ohne desselben und zwar per pactum speciale 
vorher versichert zu sein, das Werk anzufangen. Lehmann a. a. OÖ. 8. 367.
	        
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