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In $ 80 der Einleitung heisst es:
„Auch Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Oberhaupte des Staates und sei-
nen Unterthanen sollen bei den ordentlichen Gerichten, nach den Vorschriften
der Gesetze erörtert und entschieden werden.“
Besonders wichtig sind aber die Bestimmungen des allgemeinen Landrech-
tes über das Eigenthum an den Domänen und die Vermögensrechte
des Königs und der Mitglieder der königlichen Familie, im Tit. 14
des II. Theiles.. Wir haben gesehen, dass durch das Edikt Friedrich Wilhelms I.
v. 1713 die in besonderer Immediatverwaltung des Landesherrn stehenden Chatoull-
güter mit den von öffentlichen Behörden verwalteten, durch den Landständen er-
theilte Reversalien unveräusserlich gemachten Kammergütern oder Domänen zu
einer rechtlichen Einheit verschmolzen wurden. Es lag darin ein bedeutsamer
staatlicher Fortschritt, indem der den Domänen anhaftende öflentlich rechtliche
Charakter auch den reinen Privatgütern des königlichen Hauses mitgetheilt wurde.
Nur war man damals noch nicht fähig, die korrekte staatsrechtliche Formuli-
rung für diesen wichtigen staatlichen Fortschritt zu finden. Man benutzte den
aus der Frenıde importirten Ausdruck eines „fideicommissum familiae perpetuun‘“,
woraus man später jenes Amphibium eines „staatsrechtlichen Fideikom-
misses‘“ entstehen liess. Zwar war seit dem grossen Kurfürsten der Staats-
gedanke immer tiefer in alle Poren des Staatslebens eingedrungen, „sic ge-
sturus sum principatum, ut sciam rem esse populi, non meam privatam;“ aber
noch hatte er keine klare juristische Formulirung in dem Begriff einer preus-
sischen Staatpersönlichkeit erhalten. Dies geschah erst unter Friedrich
dem Gr., aus dessen Geist das preussische Landrecht geboren ist, wenn es auch
erst unter Friedrich Wilhelm II. publicirt wurde. Zum ersten Male wurde hier
der Staat als die alles überragende Persönlichkeit gesetzlich anerkannt. Es
war der unstaatlichen Patrimonialtheorie gegenüber von hohem Werthe, dass
hier alle Befugnisse des Staatsoberhaupts aus den Zwecken des Staates,
alle Rechte desselben aus seinen Pflichten hergeleitet wurden, dass ganz im
Sinne des grossen Königs die Regentenstellung als die höchste Pflicht und der
erhabenste Beruf aufgefasst wurde. Zum ersten Male wurde hier der Begriff des
Staatsoberhaupts, des Staatsdienstes, des Staatseigenthums in voller Klarheit hin-
gestellt. So konnte im preussischen Staatsrechte auch der zweideutige Begriff des
Kammergutes mit seiner Vermengung privatrechtlicher und publicistischer Ele-
mente nicht länger bestehen. Man ordnete das Verhältniss nicht mehr im Sinne
reichsfürstlicher Patrimonialität, sondern grossstaatlicher Entwickelung nach dem
Vorbilde anderer europäischer Reiche, besonders Frankreichs, Schwedens u. s. w.
Man verfuhr bei der Ordnung des Domainenwesens „ad exemplum regnorum“.
„Es erfolgte, was bisher gesetzlich noch nirgends Ausdruck gefunden hatte, die
Gleichstellung reichsständischer Kammergüter mit den Domänengütern souverä-
ner Regenten, nachdem die Lehre schon längst das reichsständische Kammergut
in Staatseigenthum verwandelt hatte.“ Unverkennbar wirkte darauf die in die-
sem Sinne entwickelte Theorie eines massgebenden Schriftstellers, des Gross-