17 Einleitung. 611
6. K. Friedrich Wilhelm IV. 1840— 1861.
Am 7. Juni 1840 bestieg K. Friedrich Wilhelm IV. den Thron seiner Väter.
Unter ihm vollzog sich die Umwandlung des absoluten Staates in den konstitu-
tionellen, ein Vorgang, welcher auch auf die Stellung des königlichen Hauses und
dessen Verfassung nicht ohne Einfluss war. Die Verfassungsurkunde zog die
wichtigsten Gegenstände, welche bisher lediglich durch die Hausgesetzgebung ge-
regelt waren, in den Bereich des Verfassungsrechtes, wie dies in allen deutschen
Staaten bei der Begründung konstitutioneller Verfassungen geschehen war. Vor
allem wurden Thronfolge und Regeutschaft verfassungsmässig
festgestellt. Dabei wurde die Fortgeltung der bestehenden königlichen Haus-
gesetze ausdrücklich anerkannt, natürlich nur soweit, als sie mit der Verfassung
nicht in Widerspruch stehen. Die in die Verfassung aufgenommenen Sätze über
Thronfolge und Regentschaft sind der Hausgesetzgebung entzogen und können
von nun an nur durch verfassungsändernde Gesetze geändert, aufgehoben
und authentisch deklarirt werden. Dagegen besteht die Autonomie des königlichen
Hauses in Betreff seiner inneren Familienangelegenheiten unzweifelhaft
fort und könnte ein Hausgesetz, welches sich ganz in dieser Sphäre hält, ohne
Zustimmung der Volksvertretung durch einen vom Oberhaupt des königlichen
Hauses mit den Agnaten vereinbarten Akt der Familiengesetzgebung auch jetzt
noch zu Stande kommen.
Da die Sätze der Verfassung vom 31. Januar 1850 h. z. T. das prak-
tische Recht der Gegenwart bilden, so werden dieselben im folgenden Abschnitt
unter Nr. V mitgetheilt und erörtert. Unter der Regierung K. Friedrich Wil-
helms IV. fanden übrigens nach dem J. 1848 noch zwei kleine Gebietserweite-
rungen statt. Durch Staatsvertrag mit den beiden regierenden Fürsten von
Hohenzollern- Hechingen und Sigmaringen vom 7. Dec. 1849 wurde das Terri-
torium beider Fürstenthümer dem preussischen Staate einverleibt. (Das Nähere
unter dem Hause Hohenzollern.).
Durch Vertrag vom 20. Juli und vom 1. Dec. 1853 mit dem Grossherzoge
von Oldenburg (G.S. 1854 S. 65 ff.) wurde ein kleines Gebiet an der Jahde zur
Gründung eines Hafens und einer Marinestation an der Nordsee erworben. Da-
gegen verzichtete K. Friedrich Wilhelm IV. durch Staatsvertrag vom 26. Mai
1857 (zwischen Preussen, Oesterreich, Frankreich, Russland, Grossbritannien und
der Schweiz) für sich und sein Haus auf seine seit 1848 thatsächlich nicht mehr
ausgeübten Souveränetätsrechte über das Fürstenthum Neuenburg.
Die letzten Lebensjahre K. Friedrich Wilhelms IV. wurden durch schwere
Leiden getrübt. Wiederholte Krankheitsanfälle veranlassten, dass die Stellver-
tretung des Königs dem Prinzen von Preussen am 23. Okt. 1857 zuerst auf drei
Monate übertragen wurde. Die Erneuerung dieses Auftrages erfolgte dreimal,
am 6. Jan., am 9. April und am 25. Juni 1858 immer auf drei Monate. Erst
als jede Hoffnung auf Wiederherstellung geschwunden war, ergriff der Prinz von
Preussen als nächster Agnat die Initiative zur Uebernahme der Regentschaft