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6. Privaterbrecht.
Se. Majestät der König ist befugt, über sein Privatvermögen testamentarisch
frei zu verfügen, ohne durch die Ansprüche Pflichttheilsberechtigter gebunden
zu sein. Wenn aber ein König von Preussen ohne testamentarische Anordnung
verstirbt, so fällt sein gesammter Privatnachlass ausschliesslich dem Thron-
folger zu. „Es ist dies ein Ausfluss der bestehenden Präsumtion für die Fidei-
kommisseigenschaft des königlichen Besitzes und für die Primogenitur‘“. Darüber,
was beim Dahinscheiden eines Königs zum Privatnachlasse, was zum Staatsver-
mögen gehöre, eutscheiden in concreto die Natur des Gegenstandes und seine
Bestimmung, die Erwerbsart und nach der jetzt bestehenden strengen Scheidung
der Staats- und der Kronfideikommisskasse und der bezüglichen Unterkassen der
Fonds, aus dem die Erwerbung gemacht ist. Hinsichtlich der Immobilien ist
jedoch die oben erwähnte landrechtliche Bestimmung 8.15 Tit. 14 Th. II in Kraft
geblieben, dass solche in Ermangelung einer entgegengesetzten Bestimmung des
Erwerbers inter vivos oder mortis caussa den fiskalischen Domänen zuwachsen,
ein Fall, der nach dem Tode K. Friedrich Wilhelms II. eintrat.
Das Intestaterbrecht der Glieder des königlichen Hauses auf Privat-
vermögen der Blutsverwandten, mit Ausnahme des fideikommissarisch gebun-
denen Vermögens, folgt den allgemeinen privatrechtlichen Vorschriften. Da alle
Mitglieder des Hauses in Berlin ihr gesetzliches Domicil haben, so kommen
für sie die in der Mark Brandenburg geltenden intestaterbrechtlichen Grund-
sätze zur Geltung. In der Mark Brandenburg gilt bezüglich des Intestaterb-
rechtes nicht einfach das „gemeine‘‘ Recht, theils ist dasselbe provincialrecht-
lich modificirt, insbesondere durch die Joachimica, theils ist das allgemeine
Landrecht Th. II Tit. 1—3 in soweit suspendirt, als es von unstreitigen Be-
stimmungen des gemeinen Rechtes abweichende Bestimmungen enthält. Ohne
Vorzug des männlichen vor dem weiblichen Geschlechte erben die Kognaten zu
gleichem Rechte mit den Agnaten und ebenso hinsichtlich des Mobiliar-, als was
lange bestritten war, des Immobiliarnachlasses. Die üblichen Verzichte der Prin-
zessinnen enthalten die nöthigen Klauseln zum Schutze dieses Erbrechtes. Eben-
so gelten hinsichtlich der Notherben und des Pflichttheils die Grundsätze des
gewöhnlichen Privatrechtes.
Für die letztwilligen Bestimmungen der Mitglieder des könig-
lichen Hauses gilt bezüglich der Form die Sondervorschrift des 8. 176 I. 12
des ALR.: „Bei Personen, welche zu der Familie des Landesherrn gehören, ist
es genug, wenn dieselben ihre Disposition dem Haupte der Familie nur schrift-
lich eingereicht haben und dieselbe dem Kabinetsarchive oder einem Gerichte
zur ferneren Auflewahrung zugefertigt worden ist“. Bezüglich der materiel-
len Geltung der testamentarischen Bestimmungen ist nach der Hausverfassung
die Allerhöchste Genehmigung der Bestimmung nach eingetretenem Erbfalle er-
forderlich. (Mittheilung des Ministeriums des königlichen Hauses und der Justiz.)
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