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seinem jüngern Bruder Welf VI. auf die Weise ab, dass er selbst die reichen säch-
sischen Allodien seines Vaters nebst den meisten Rechten und Besitzungen in Bayern,
Welf VI. dagegen die Hausgüter westwärts vom Lech in Schwaben und dazu meh-
rere Besitzungen im rechten Lechthal und den Ammergegenden erhielt; doch be-
hielt auch die erstgeborne welfische Linie, Heinrich der Stolze und Heinrich der
Löwe, noch einigen Besitz oder Mitbesitz in Schwaben, weil das Geschlecht für ein
schwäbisches galt und dort das Hauptstammgut, das Handgemal, lag’).
Herzog Heinrich der Stolze vermählte sich 1127 mit Gertrud, der reichen
Erbtochter Kaiser Lothars (von Supplinburg), wodurch das welfische Haus in den
Besitz der ausgedehnten braunschweig-nordheimischen Güter gelangte ?). Somit
vereinigte das Welfenhaus die grössere Hälfte der billungschen Erbgüter mit den
braunschweigischen der Supplinburger und wurde somit das mächtigste und reichste
Geschlecht in Sachsen. Dazu erhielt Heinrich der Stolze 1137 noch die sächsische
Herzogswürde und wurde mit der Markgrafschaft Tuscien belehnt. Als er aber
nach dem Tode seines kaiserlichen Schwiegervaters mit den Hohenstaufen um die
Königskrone ringen wollte, sank sein glückliches Gestirn, er wurde 1138 geächtet,
seiner beiden Herzogthümer entsetzt und starb 1139 in der Blüthe der Jahre.
Sein jüngerer Bruder Welf VI. führte den Herzogstitel, als Sohn eines Her-
zogs, ohne ein eigentliches Herzogsamt zu bekleiden. Ihm war der grösste Theil
der reichen schwäbischen Familienbesitzungen zugefallen; durch seine Heirath mit
Uta, Erbtochter des Pfalzgrafen Gotfried von Calw, verdoppelte er seinen ererb-
ten Länderreichthum ®). Nach seiner Versöhnung mit den Hohenstaufen erhielt
Welf VI. vom Kaiser Friedrich I. als Reichsiehen das Herzogthun Spoleto, die
Markgrafschaft Tuscien, das Fürstenthum Sardinien nebst Corsica und grosse Län-
dereien in den Etsch- und Pogegenden. Als er aber sein einziges Kind, Welf VIL,
durch den Tod 1167 verlor, änderte er seine Lebensweise und Gesinnung. Der
früher auf Vermehrung seiner Hausmacht bedachte Krieger wurde ein üppiger
Schwelger, welcher sein Hausgut in glänzenden Festen verprasste; ja er trug kein
Bedenken, seine sämintlichen Besitzungen durch eine Schenkung seinen Agnaten
für immer zu entziehen.
Ohne Hoffnung auf Nachkommenschaft, hatte er anfangs allerdings seinen
Bruderssohn, Heinrich den Löwen, zu seinem Erben bestimmt. Als dieser ihn
aber nicht in seiner Geldverlegenheit unterstützte, änderte er seine Bestimmung
und schloss einen Erbvertrag mit seinem Schwestersohn, Kaiser Friedrich 1.
von Hohenstaufen, welcher ihm mit grossen Geldsummen bereitwillig entgegenkam.
1) G. Homeyer, Ucber die Heimatlı nach altdeutschem Recht, besonders das Handgemal,
2) Ein genaues Verzeichniss dieser Gütermasse, welche durch Gertrud an die Welfen kam,
giebt Bötlicher S. 473. Dieselbe war durch mehrere Erbtöchter zusammengekommen ; 80 hatte
Richenza, Erbtochtee Heinrichs des Fetlen, Grafen von Nordheim, ihrem Gemahl Lolhar die
nordheimischen Güler zugebracht; Richenzas Multer war wieder eine Erbtochter, nämlich Ger-
trud, Eckberts 3. von Wolfenbüllel Tochter. Diese letztere Gerirud erbte von ihrem kinderlosen
Bruder, Eckbert 11., die allen brunonischen Allode, d. h. das Gebiet von Braunschweig und Wol-
fenbüttel oder das Land um die Ocker.
3) Aufzählung der aus dem Hause der Grafen von Calw an Welf VI. gekommenen Besitzun-
gen bei Stälin Il. S. 268.