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primogenitur angeordnet, Bestimmungen über die Aussteuer der Töchter, über
Unmündigkeit und Vormundschaft getroffen und Wilhelm auf eine Geldapanage von
2000 Gulden, nebst einem Schlosse, angewiesen. Kaiser Karl V. bestätigte diesen
Vertrag 1535 und 1539 °).
Seitdem ist die Primogenitur im braunschweig-wolfenbüttel-
schen Hause unverbrüchlich beobachtet worden.
Auf Heinrich den Jüngern, welcher als Vorkämpfer der katholischen Partei
seine Lande in grosse Zerrüttung gebracht hatte, folgte sein einziger, der evange-
lischen Kirche treu anhängender Prinz, Julius (1568— 1589). In seinem Testa-
mente von 1582 bestätigte er die Primogenitur aufs neue:
„Es soll demnach unser ältester Sohn als institutus unus et indubi-
tatus heres nach uns von allgemeiner Landschaft vor ihren einigen,
rechten, wahren und väterlichen Erb- und Landesfürsten angenommen, ge-
ehrt und gehalten werden — unsere jüngere zur Regierung nicht verord-
neten Söhne sollen sich allerdings ernenntes Regiments, Verwaltung und
Administration unseres Fürstenthums Land und Leute gänzlich enthalten.“
Die Untheilbarkeit und das Recht der Erstgeburt soll sich auch auf die noch
hinzukommenden Lande erstrecken, eben so sollen auch alle Mobilien, Artillerie,
Geschütz, Pulver, Munition, Credenz- und Silbergeschirr, Zierrath und Tapezereien,
Hof- und Hausgeräthe u. s. w. dem Erstgebornen gehören. Dieses sehr ausführ-
liche Hausgesetz wurde von Kaiser Rudolf II. am 13. September 1582 bestätigt ?).
Auf Julius folgte sein erstgeborner Sohn, Heinrich Julius (1589 — 1613);
mit dessen Sohn, Friedrich Ulrich, erlosch im Jahre 1634 das mitt-
lere Haus Braunschweig oder die Linie Heinrichs, des jüngern Sohnes des
Magnus Torquatus.
Ueber die Nachfolge in die Erbschaft von Friedrich Ulrich entstand ein
verwickelter Successionsstreit?°).
Da in der ganzen braunschweig - wolfenbüttelschen Hauptlinie kein Mannserbe
mehr vorhanden war, so stand die Nachfolge dem lüneburgischen Hause un-
zweifelhaft zu. Da dasselbe aber damals in drei Linien gespalten war, so war es
schwierig, das Mass der Berechtigung der verschiedenen Linien zu bestimmen. In
der abgegangenen wolfenbüttelschen Linie war freilich die Untheilbarkeit und das
Recht der Erstgeburt hausgesetzlich festgestellt (1535 und 1582), im lüneburgischen
Fürstenhause war dagegen den hierauf bezüglichen Verträgen und Verfügungen so
vielfach zuwider gehandelt, dass sie schwerlich als Grundlagen der Entscheidung
betrachtet werden konnten.
Sonach mussten die Ansprüche der drei lüneburgischen Speziallinien zu Har-
burg, Dannenberg und Cella gegen einander abgewogen werden. Die har-
1) Der Vertrag findet eich bei Lünig, Pars spec. unter Braunschweig 9. 62 und Reht-
meier 1. 5. 881. Da dieser Vertrag noch heutzutage in anerkannter Gültigkeit steht, so findet
er seine Stelle im Urkundenbuche Nr.
) Das Testament steht mit der kaiserl. Confirmation bei Rehtmeier II. Ss. 1029 und bei
Lünig, Part. spec. Cont. Il. p. 286, im Auszug bei Moser Xlli. p. 79.
3) Dieser Successionsatreit ist besonders mit den Rechtsgründen der Parteien dargestellt
von Moser X1ll. 8. 87, kurz, aber übersichtlich bei Hayemann II, S. 696.